Kalkablagerungen an oder in den Schultersehnen sind oft die Ursache heftigster Schulterschmerzen.
Wodurch die so genannte Kalkschulter (Tendinosis calcarea) ausgelöst wird, ist abschließend noch nicht geklärt. Vermutlich sind eine verminderte Durchblutung der betroffenen Sehnenbereiche und ein veränderter Druck in der Schultersehne schuld an den Kalkablagerungen in der Schulter. Wer einmal eine „akute Schulter“ hatte – so wird die Entzündung in den Arztpraxen genannt – weiß, was Schmerzen sind. Die Betroffenen können den Arm kaum bewegen, Schmerzmittel greifen nur langsam und an Schlaf ist oft nicht zu denken.
Herkömmliche Therapien bei der Behandlung der Kalkschulter sind beispielsweise Injektionen oder eine Linderung der Schulterentzündung durch Medikamente. Der Orthopäde und Schulterspezialist Dr. Holger Groß aus Saarlouis weiß, dass auch die Stosswellentherapie vielfach eingesetzt wird. „Doch wenn die Schmerzen zu stark sind oder die konservative Behandlung nicht greift, blieb bisher nur die Operation.“
Die Nadel-Lavage
Dr. Groß selbst setzt vermutlich als einziger Orthopäde in Deutschland auf eine neue Therapie, die eine schnelle und schonende Hilfe bei der Kalkschulter verspricht: die ultraschallgestützte microinvasive Kalkentfernung, die auch Nadel-Lavage genannt wird. Dabei wird mit einem hochauflösenden, modernen Ultraschallgerät, der Kalkherd in einer Schultersehne genau lokalisiert. Nach einer örtlichen Betäubung mit einem Lokalanästhetikum wird eine spezielle Nadel durch die Haut eingeführt. Weil sie ständig auf dem Ultraschallbild kontrolliert wird, kann die Nadel optimal im Kalkherd platziert werden. Sobald sich die Nadel in der optimalen Position befindet, wird der Kalkherd mechanisch gelockert, indem eine Betäubungslösung eingespritzt wird. Danach wird der Kalkherd abgesaugt. Bei größeren Kalkherden muss die Nadel mehrfach umpositioniert werden. Am Ende des Eingriffs ist der Schulterkalk in der Spritze.
Als diese Methode erstmals veröffentlicht wurde, hatte selbst Dr. Groß seine Zweifel, ob sie funktioniert. Mittlerweile hat er das Verfahren tausendfach eingesetzt und ist von den Ergebnissen begeistert. „Weil bei dem Eingriff in örtlicher Betäubung erfolgt und auf einen Schnitt gänzlich verzichtet wird, besteht im Vergleich zur klassischen Operationen ein deutlich geringes Komplikationsrisiko. In der anschließenden Röntgenkontrolle zeigen sich Ergebnisse, wie sie sonst nur nach einer Operation zu erwarten sind. Zudem kann der Patient unmittelbar nach dem Eingriff die Praxis wieder verlassen und den Arm wieder voll belasten.“
Kaum eine deutsche Praxis traut sich an dieses Verfahren
Dass die Nadel-Lavage in Deutschland nur in wenigen Praxen und Zentren durchgeführt wird, erklärt er sich damit, dass die dazugehörigen Studien hauptsächlich von Radiologen im Ausland durchgeführt wurden. „Die Therapie ist in Deutschland weitgehend unbekannt“, so Dr. Groß, „daher wird sie auch von den gesetzlichen Krankenkassen nicht erstattet. Allerdings zeigen neuste Studien aus Mailand und Innsbruck, dass die Ergebnisse der Nadel-Lavage mit denen der Schulterathroskopie vergleichbar sind.“
Da diese Studien von Radiologen und nicht von Orthopäden durchgeführt wurden und daher auch nur in Fachzeitschriften für Radiologen veröffentlicht wurden, kennen viele Orthopäden die Studienlage nicht und stehen der Nadel-Lavage kritisch gegenüber. Sie setzen daher weiterhin auf die eingangs erwähnten Therapien bei der Kalkschulterbehandlung.