Sprachstörungen sind typische Folgen eines Schlaganfalls. Verschiedene Formen der Aphasie behindern die Kommunikationsfähigkeit auf unterschiedliche Weise.
Apoplex ist das griechische Wort für Schlag und der Fachbegriff für ein Geschehen, das im allgemeinen Sprachgebrauch als Schlaganfall oder Hirnschlag bekannt ist. Ein passender Begriff für ein Ereignis, das die Betroffenen im wahrsten Wortsinne wie ein Schlag trifft. Die Symptomatik setzt plötzlich ein, und nicht alle neurologischen Defizite bilden sich zurück. Die häufigsten Funktionsstörungen, die nach einem Schlaganfall bestehen bleiben können, sind Lähmungen (Halbseitenlähmung, Hemiplegie) und neuropsychologische Syndrome. Darunter versteht man die oft kombinierte Beeinträchtigung komplexer psychischer Funktionen wie zum Beispiel Störungen des Lesens (Alexie), des Rechnens (Akalkulie) oder des Sprechens (Aphasie). Die Aphasie ist eine erworbene zentrale Sprachstörung, die aus einer Schädigung bestimmter Gehirnbereiche resultiert. Mit 75% ist sie die häufigste aller neuropsychologischen Syndrome und wird meist durch einen Schlaganfall der linken Gehirnhälfte verursacht.
Broca-Aphasie
Die Broca-Aphasie ist eine Sprachstörung, die durch eine Schädigung des Broca-Areals, der motorischen Sprachregion im Gehirn zustande kommt. Es handelt sich also um eine motorische Sprachstörung. Die Betroffenen haben Defizite in der Sprachproduktion bei weitgehend erhaltenem Sprachverständnis. Kennzeichnend für die Broca-Aphasie sind folgende Fehlleistungen:
- Agrammatismus: Vernachlässigung grammatischer Regeln bei gleichzeitigem Weglassen von Funktionswörtern. Funktionswörter verbinden Substantive oder Verben zu einem sinnvollen Satzgefüge. Die Abfolge der informationshaltigen Wörter bleibt korrekt, es wird jedoch kein logisch aufgebauter Satz gebildet. In ausgeprägter Form spricht der Betroffene im so genannten Telegrammstil, zum Beispiel „Park – gehen – Leute – nix“, was bedeuten kann: „Als ich im Park spazieren gegangen bin, habe ich keine anderen Leute getroffen.“
- Phonematische Paraphasie: Buchstaben und Silben einzelner Wörter werden vertauscht, zum Beispiel „Schuhand“ statt „Handschuh“.
- eingeschränkte Prosodie: die Sprachmelodie, die unter anderem Silbenbetonung und Satzmelodie beinhaltet, ist beeinträchtigt.
- Wortfindungsstörungen mit beeinträchtigtem Sprachfluss.
Da das Sprachverständnis weitgehend erhalten ist, leiden die Betroffenen sehr unter ihrer Sprachstörung. Die Bemühungen, logische Sätze zu bilden und die richtigen Worte zu finden, zeigen sich in einer vermehrten Sprachanstrengung.
Wernicke-Aphasie
Die Wernicke-Aphasie ist eine sensorische Sprachstörung, bei der das Sprachverständnis durch eine Schädigung der sensorischen Sprachregion (Wernicke-Areal) oft erheblich beeinträchtigt ist. Diese Form der Sprachstörung zeigt sich wie folgt:
- Logorrhoe: flüssiger und übermäßiger, aber unverständlicher Sprachfluss.
- Phonematische Paraphasie: das Vertauschen von Buchstaben und Silben führt ausgeprägter als bei der Broca-Aphasie zu einer Entstellung einzelner Wörter. Es kommt zu sinnlosen Neologismen (Wortneubildungen).
- Semantische Paraphasie: der Betroffene benutzt Wörter, die zwar tatsächlich existieren, aber nicht das bezeichnen, was eigentlich gemeint ist. Dabei kann das verwendete Wort mehr oder weniger mit dem gemeinten Wort in Verbindung stehen. Die Wörter „Blume“ und „Baum“ stehen noch in einem gewissen Zusammenhang, während die Verwendung des Wortes „Koffer“ statt „Bushaltestelle“ das Verständnis des Gesagten enorm erschwert.
- Paragrammatismus: durch die Logorrhoe und die intakte Sprachmeldie scheinen die vom Betroffenen gebildeten Sätze grammatisch korrekt aufgebaut zu sein. Jedoch fällt bei näherem Hinhören eine übermäßige Anwendung von Funktionswörtern und das Vorkommen vieler Paraphasien oder Neologismen auf.
Je nach Schweregrad und Lokalisation der zentralen Schädigung kann die bei einer Wernicke-Aphasie geäußerte sprachliche Botschaft durchweg unverständlich sein.
Globale Aphasie
Bei der globalen Aphasie ist sowohl das motorische Broca-Sprachzentrum als auch das sensorische Wernicke-Sprachzentrum geschädigt. Demzufolge handelt es sich um die schwerste Form der Aphasie, bei der eine verständliche Kommunikation nahezu unmöglich ist. Die Betroffenen sind oft nur in der Lage, unverständliche Paraphasien oder Sprachautomatismen zu äußern, wie zum Beispiel „kiz – kiz – kiz“. In einigen Fällen ist es den Betroffenen möglich, im Laufe des Lebens intensiv erlernte Aufzählungen und/oder Sätze zu reproduzieren. Dazu gehören zum Beispiel Wochentage, Monate oder Gebete.
Anomische oder amnestische Aphasie
Die Betroffenen leiden unter Wortfindungsstörungen. Das gesuchte Wort wird entweder umständlich umschrieben oder durch eine Ersatzfloskel wie zum Beispiel „dieses Dings“ ersetzt. Häufig werden Sätze abgebrochen und mit einem variierten Erklärungsversuch erneut begonnen. Sprachverständnis, Grammatik und Sprachmelodie sind üblicherweise nicht beeinträchtigt.
Diagnostik und Therapie der Aphasie
Die Differenzierung der unterschiedlichen Aphasieformen erfolgt mittels spezifischer Testverfahren, wie zum Beispiel dem Aachener Aphasietest. Nicht immer liegen die oben beschriebenen Sprachstörungen in ihrer Reinform vor, denn häufig treten gleichzeitig weitere neuropsychologische Syndrome (Alexie, Apraxie) oder Sprechstörungen auf. Bei einer Sprechstörung ist die motorische Fähigkeit zur Lautbildung beeinträchtigt.
Die Therapie einer Aphasie muss möglichst frühzeitig beginnen. Kliniken mit einer Fachstation für Schlaganfallpatienten (Stroke Unit) beschäftigen eigene Logopäden und Ergotherapeuten, die im Rahmen der Frührehabilitation nach der akuten Phase mit der Sprach- und Sprechtherapie beginnen. Im weiteren Verlauf wird die Therapie in Rehakliniken, in speziellen Aphasie-Zentren und ambulant am Wohnort des Betroffenen fortgeführt. Trotz langer, mühsamer Arbeit wird selten eine vollständige Wiederherstellung aller sprachlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten erreicht. Aber für alle Betroffenen ist bereits die Verbesserung der Kommunikation eine Erleichterung im alltäglichen Leben.