TUM-Physiker bewegen Mangansilizium-Magnetwirbel-Gitter mit einem Millionstel weniger Strom: Stabile Wirbel der Skyrmionen eignen sich zur Datenspeicherung.
Alles begann mit einem messtechnischen Alptraum und sah zuerst aus wie ein Aprilscherz: Nach Murphys Gesetz machte Diplom-Physiker Sebastian Mühlbauer alles genau richtig, der Doktorand positionierte am ersten April die Mangansilizium-Probe (MnSi) richtig in der Forschungs-Neutronenquelle an der Technischen Universität München (TUM) – fälschlicherweise legte er aber ein paralleles Magnetfeld an und beschoss die MnSi-Probe mit einem Neutronenstrahl; das Magnetfeld sollte für den Versuch eigentlich senkrecht stehen.
Die magnetischen Wirbel der Skyrmionen sorgen für Wirbel
Als Aprilscherz sah der Physiker auf dem Computer-Monitor ein unerwartetes MnSi-Beugungsmuster der Neutronen – statt der erwarteten zwei Punkte erblickte er einen Ring aus sechs Punkten: ein 6-zähliges Beugungsmuster. Wenig später erwies sich der Aprilscherz als eine völlig neue magnetische Struktur des MnSi-Kristalls, ein Gitter aus magnetischen Wirbeln – nach dem britischen Physiker Tony Skyrme werden sie Skyrmionen genannt: Diese magnetische Wirbel bewegen sich nun für zukünftige Anwendungen zur Datenspeicherung im elektrischen Feld relativ schwacher elektrischer Ströme: „Die magnetische Struktur dreht sich, weil die Richtung des elektrischen Stroms äußerst effizient quantenmechanisch abgelenkt wird“, erklärt am 16. Dezember 2010 Professor Dr. Christian Pfleiderer von der TUM – Prof. Pfleiderer präsentiert mit seinem Team aus Experimentalphysikern die neuesten Ergebnisse in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Science.
Magnetoelektronik – magnetische Information durch elektrischen Strom direkt in Datenspeicher schreiben
Kleiner als die heutigen Netbooks, schneller und energiesparender als die heutigen MacBooks und Notebooks sollen die Computer der Zukunft sein, dazu wird eifrig an neuen Materialien für Arbeitsspeicher, Prozessor-Chips und Festplatten geforscht: Für die neuen Nanoelektronik-Bausteine wird an organischen Halbleitern und Übergangsmetalloxiden geforscht, die TUM-Physiker sorgen dagegen mit den magnetischen Wirbeln der MnSi-Kristalle für viel Wirbel. Hier erwartet man sich für die Magnetoelektronik oder Spintronik neue Ergebnisse, hier betrachtet man für die IT-Technologie nicht nur die elektrische Ladung der Elektronen, hier erforscht man den drehimpulsartigen magnetischen Spin des Elektrons – ob externe elektrische Felder das magnetische Moment des Elektrons im Datenspeicher für die Informationsverarbeitung nutzen können.
Stabile Magnetwirbel sind als Datenspeicher nutzbar
Entdecken Forscher neue physikalisch interessante Effekt für die IT-Technologie, müssen diese auch auf die Alltagstauglichkeit überprüft werden: Oft funktionieren Effekte bei gewissen Materialien nur bei sehr niedrigen Temperaturen, extrem hohen magnetischen Feldstärken oder riesigen Stromstärken. Doch zeigen weitere Messungen der Physiker um Christian Pfleiderer und Achim Rosch, dass die neu entdeckten Skyrmionen zu neuen Nanoelektronik-Datenspeichern führen könnten. Die magnetischen Wirbel sind sehr stabil und nur extrem schwach im Material verankert, kleinste elektrische Ströme lassen die magnetischen Wirbel herumwirbeln, durch die Verschiebung der Wirbel könnten Daten zukünftig wesentlich schneller und effizienter gelesen und geschrieben werden – die eingesetzten elektrischen Ströme sind nun fast eine Million Mal schwächer als in früheren Studien. Wenn dann ein Elektron durch den magnetischen Wirbel fliegt (siehe Bild, schwarzer Punkt), orientiert sich der Elektronenspin des Elektrons an dem Wirbel, der elektrische Strom erzeugt so eine Kraft auf die magnetischen Wirbel, die diese letztendlich zum Fließen bringt.