Das bitter-süße Gefühl der Melancholie lässt sich nur schwer einordnen, ebenso wie die Menschen, zu denen diese Stimmung gehört. Selten fühlen sich Melancholiker in dieser Welt Zuhause. Ihre Sehnsucht gilt verlorenem oder ungelebtem Leben und der inneren Welt in den Tiefen der Seele. Melancholie muss nicht unbedingt krankhaft sein, auch wenn sie einer Depression sehr ähnelt.
Herkunft des Begriffes „Melancholie“
In ihrer ursprünglichen Bedeutung gehört Melancholie zu der klassischen Temperamentenlehre, die der berühmte Arzt und Gelehrte Hippokrates (um 460 – 377 v. Chr) erstmals beschrieben hat.
Der Begriff „Melancholie“ ist abgeleitet von den griechischen Wörtern melan (schwarz) und choler (Galle). Nach der Lehre von Hippokrates war für die seelische Gesundheit eines Menschen das Gleichgewicht der so genannten Körpersäfte verantwortlich. Zu viel „schwarze Galle“ erklärte nach diesem Modell die Entstehung einer Melancholie.
Hippokrates verordnete bei Melancholie Ruhe, (geistige) Nüchternheit, sorgfältig ausgesuchte Ernährung und sexuelle Abstinenz.
Was ist Melancholie?
Die Neigung zur Schwermut ist ein wesentliches Merkmal der Melancholie. Betroffene gelten als antriebsschwach, pessimistisch und trübsinnig. Diese Sichtweise melancholischer Menschen ist allerdings sehr einseitig und negativ. Denn Charaktereigenschaften wie Sensibilität, Empfindsamkeit, Introvertiertheit und Zuverlässigkeit gehören auch zu den Wesenszügen von Melancholikern. Meistens sind sie nachdenklich und ernsthaft, sie mögen den Rückzug und die Stille.
Melancholie wird häufig mit der depressiven Verstimmung gleichgesetzt. Doch auch wenn die Grenzen zwischen Melancholie und Depression fließend sind, unterscheiden Melancholiker ihre dunkle Grundstimmung deutlich von einer Depression. Während die lähmende Depression als Reaktion auf krisenhafte Erfahrungen erlebt wird, möchten Melancholiker das Gefühl der Melancholie als wertvolle Quelle kreativer Energien häufig nicht missen.
Im Song „Dunkle Wolken“ der deutschen Pop-Band Rosenstolz kommt die Stimmung der Melancholie im Refrain sehr deutlich zum Ausdruck. Dort heißt es :
„Dunkle Wolken können schön sein und die Trauer gehört zu mir,
auch den Schatten will ich lieben, weil ich manchmal lieber frier …“
Melancholie und Kreativität
Bereits dem griechischen Philosophen Aristoteles (384 – 322 v. Chr) fiel auf, dass viele außergewöhnliche Menschen wie Philosophen, Politiker und Dichter zu den Melancholikern gehören. Mit dieser Erkenntnis wurde die abschätzige Wertung, die der Melancholie bis dahin entgegengebracht wurde, nach langer Zeit erstmals in Frage gestellt.
Wie der Psychiater Daniel Hell beschreibt, spricht der dänische Philosoph und Theologe Sören Kierkegaard (1813 – 1855) sogar von der „Sinnhaftigkeit der Schwermut“. Der italienische Philosoph Marsilio Ficino (1433 – 1499) sei der Ansicht gewesen, dass er „sein waches und sensibles Dasein“ der Melancholie verdanke.
Als bekannte Dichter, bei denen Melancholie eine bemerkenswerte Rolle spielt, sind etwa Rainer Maria Rilke (1875 -1926) und Hermann Hesse (1877 – 1962) zu nennen. Melancholische Stimmung in Gemälden findet sich u.a. bei Caspar David Friedrich (1774 – 1840).
Melancholie und Depression
Nach Daniel Hell ist es nicht endgültig geklärt, ob der ältere Begriff der „Melancholie“ und das moderne Wort der „Depression“ immer das Gleiche beschreiben. Seelischer Schmerz oder eine vorübergehende depressive Verstimmung gehören zum normalen psychischen Erleben des Menschen. Die Frage ist nur, wo sich die Grenze zwischen gesund und krank befindet. Nicht jede Traurigkeit ist als krankhaft anzusehen.
Depressive Verstimmungen müssen nach der Internationalen Klassifikation für psychische Störungen ICD 10 – Kap V wenigstens vierzehn Tage andauern und außerdem von weiteren Symptomen begleitet sein, um als krankhaft zu gelten. Doch auch hier gibt es natürliche Schwankungen. So ist etwa ein Trauerprozess kaum in vierzehn Tagen überstanden.
Melancholische oder depressive Stimmungen können immer auch eine schöpferische Seite haben oder, wie es der Begründer der Analytischen Psychologie C.G. Jung (1875 – 1961) vertritt, eine Botschaft in sich tragen, die es zu erkennen gilt. Wird aus der Traurigkeit ein Sog, ein dauerhaftes Erleben oder stellt sich das Gefühl von tiefer Sinnlosigkeit ein, dann entwickelt sich vermutlich eine schwere Depression, die fachliche Hilfe erfordert.