Früher galten Zwangsstörungen als nicht therapierbar. Mittlerweile gilt dieser eigentümlichen Erkrankung zunehmendes Forschungsinteresse. Man erkannte, das Zwänge zu den häufigsten psychischen Störungen gehören. In Deutschland sind etwa eine Million Menschen betroffen.
Der innere Drang wird zum inneren Zwang
Die Bedeutung von Zwang beinhaltet, das jemand einer außerordentlichen Beeinflussung unterliegt. Nicht jeder Mensch, der beispielsweise sehr penibel auf Ordnung und Sauberkeit achtet, unterliegt gleich einer psychischen Störung. Doch wenn jemand ständig der inneren Anspannung ausgesetzt ist, immer wieder bestimmte Reinigungsrituale zu wiederholen, sich dadurch für ihn Leidensdruck entwickelt und sein tägliches Leben massiv behindert wird, ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine Zwangsstörung vorhanden.
Innerer Zwang wird zur Zwangsneurose
Sind zwanghafte Verhaltensweisen alltagsbestimmend, so sprechen Experten von einer Zwangsneurose oder Zwangsstörung. Kennzeichnend ist ein ständig wiederkehrender Drang, belastende Gedanken zu denken oder Handlungen wiederholt auszuführen. Dieser Drang gerät außer Kontrolle. Menschen mit dieser Störung fühlen sich wie eingesperrt in einem inneren Gefängnis. Halmas Thod beschreibt in seinen Protokollen eines Zwangserkrankten diese Befindlichkeit wie folgt: “Jene Zustände sind schwer zu benennen, noch heikler einzukreisen und zu verstehen, denn es verweben sich hier vielfältigste Lebenszeichen zu einem komplexen Sog (…) erbarmungsloser Selbstversklavung.”
Zwänge verursachen innere Anspannungen
Zwanghafte Verhaltensmuster bewirken bei Betroffenen massive innere Anspannungen, wenn sie ihnen nicht nachkommen. Führen sie Zwänge aus, müssen sie schrittweise immer öfter wiederholt werden. Die psychische Störung entwickelt sich langsam, anfangs unauffällig und harmlos wirkend. Die Deutsche Gesellschaft für Zwangserkrankung e.V. informiert zur Diagnose, dass viele ihre ersten Zwänge als eine Art Aberglaube wahrnehmen. Erst später und verstärkt durch Lebenskrisen oder Konflikte beginnen störende Einschränkungen. Die Sucht nach Sicherheit wird zur Erkrankung. Der innere Widerstand gegen die Ausführung ist ein weiteres Merkmal.
Absichernde Handlungen in endloser Wiederholung
Mit der Zeit wird es für Erkrankte immer anstrengender, beispielsweise dem zwanghaften Drang nach Kontrolle elektrischer Geräte oder dem ständigen Händewaschen zu widerstehen. Sie fühlen sich zu diesen Zwangshandlungen innerlich genötigt, obwohl sie wissen, wie übertrieben und sinnlos die Wiederholungen sind. Kontroll-, Wasch-, Ordnungs-, Zähl- und Sammelzwänge sind häufig. Zwangsgedanken bestehen aus aufdringlichen Gedanken, Ideen oder gedankliche Bildern mit unangenehmer Wirkung. Nicht selten werden von Betroffenen auch bestimmte Zahlen oder Buchstaben mit unglücklichem Geschehen oder drohendem Unheil verbunden.
Zwangsstörungen im Film
Spielfilme und Serien haben die Zwangsstörung als interessanten Filmstoff entdeckt. Jack Nicholson spielte 1998 in “Besser geht’s nicht” einen zwangsgestörten Stadtneurotiker. Er benutzt beim Händewaschen jedes Mal ein neues Stück Seife, tritt nie auf die Fugen von Pflastersteinen oder Fliesen. Im Restaurant isst er nur mit Plastikbesteck. In “Tricks” übernahm Nicholas Cage 2003 die Rolle des Trickbetrügers Roy mit seinen ausgeprägten Putzzwängen. Leonardo DiCaprio spielte 2004 glaubhaft in “Aviator” den exzentrischen Flugzeugmogul, der zunehmend unter Zwangsstörungen litt. Howard Hughes hatte eine zwanghafte Angst vor der Ansteckung mit Bakterien und Keimen.
In der von 2002 bis 2009 produzierten Krimiserie “Monk “ wurden mit der Hauptfigur Adrian Monk massive Zwangssymptome thematisiert. Auch die seit 2007 produzierte Fernsehserie “The Big Bang Theory” zeigt psychische Störungen des Zwangs. Jim Parson spielt den neurotischen Hochbegabten Dr. Dr. Sheldon Lee Cooper, der zwanghaft tägliche Routinehandlungen identisch ausführen muss. Im deutschen Film “Vincent will meer” von 2010 mimte der Schauspieler Johannes Allmayer den an Zwangsstörungen leidenden Alexander. Diese Rolle zeigte Befangenheit in diversen Zwängen und enorme Pedanterie.
Zwangsstörungen bei Prominenten
2009 berichtete die Sängerin Nelly Furtado, wie sehr sie unter Gedankenzwängen litt. Weiterhin bezeichnete sie ihre Musik als eine Art der Therapie, die sie aus ihren Gedankenfluten rettet. Der britische Fußballstar David Beckham bekannte sich in Interviews seit 2006 zu zwanghaftem Perfektionismus. Schauspieler und Sänger Justin Timberlake beschrieb 2008, wie er versucht mit seiner Zwangsstörung zu leben. Billy Bob Thornton (Ex-Mann von Angelina Jolie) gab zu, Wörter immer in einer bestimmten Anzahl zwanghaft wiederholen zu müssen. Woody Allen outete sich mit seiner Zwangsstörung, die ihn zwingt, in penibler Routine zu leben. Frank Sinatra soll nach Aussagen seiner Witwe unter ausgeprägten Waschzwängen gelitten haben. Auch Schauspielerin Cameron Diaz ist nach eigenen Schilderungen von einem Waschzwang betroffen.
Rapper Kayne West erzählte 2007, wie sich bei ihm unter fortlaufendem Erfolgsdruck seine Zwangsstörung zunehmend verstärkte. Weitere Beispiele für Prominente, die unter Zwangsstörungen leiden, sind Harrison Ford und Michelle Pfeiffer. Auch aus früheren Epochen sind über historische Persönlichkeiten (Martin Luther, Thomas Mann, Immanuel Kant) Verhaltensweisen bekannt, die eine Zwangsstörung vermuten lassen könnten.