Jonas lacht. Der schüchterne Dreizehnjährige ist bis zum Hals in Tausenden von bunten Bällen versunken. Mit ihm im Bällebad: Mopshündin Paula, die freudig-aufgeregt mit ihren Pfoten rudert. Am Rand sitzt die Psychologin und Ergotherapeutin Edelgard Chrzanowski, neben ihr Therapiehund Dr. Schorsch. Die riesige Bordeaux-Dogge passt auf, dass Jonas nichts passiert. Denn der ausgebildete Therapiehund kann eines besser als jeder menschliche Mitarbeiter dieser ergotherapeutischen Praxis: Ruhe, Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. „Meine Hunde zeigen eine spezielle Zuneigung für ängstliche, depressive und aggressive Menschen“, erzählt Edelgard Chrzanowski. „Sie spüren, wer traurig und wer ängstlich ist und können viel unmittelbarer trösten.“
Untersuchungen belegen, wie gut uns Tiere tun
In der Tat haben Studien gezeigt, dass sich Tiere oft positiv auf die Gesundheit von Menschen auswirken. So gehen ältere Menschen, die eine Katze, einen Hund oder ein anderes Tier besitzen, deutlich seltener zum Arzt als Senioren ohne Tier. Das belegt eine Studie des Bundesforschungsministeriums, an der 2.400 Senioren teilgenommen haben. Laut einer Untersuchung in Alten- und Pflegeheimen, in denen Tiere gehalten werden, nehmen alte Menschen auch weniger Medikamente ein. Tierbesitzer weisen zudem geringere gesundheitliche Risikofaktoren wie erhöhte Blutfettwerte und Bluthochdruck auf und erkranken seltener an Herz-Kreislauf-Leiden. Das belegt eine australische Studie, die Anderson, Reid und Jennings 1992 veröffentlicht haben. Mediziner der Universität von Kalifornien haben zudem herausgefunden, dass Alzheimerpatienten, die zu Hause gepflegt wurden und dabei regelmäßigen Kontakt mit Tieren hatten, deutlich weniger aggressiv und unruhig waren als eine Kontrollgruppe ohne Tiere. Das Streicheln und Beobachten der treuen Gefährten wirkte beruhigend und baute bei den Patienten Stresshormone ab.
Das ist auch bei Kindern nicht anders, wie das Beispiel von Jonas zeigt. Er ist eines von vielen Kindern, die in Leimersheim wegen Konzentrationsschwächen, Verhaltensauffälligkeiten, ADS oder ADHS in Behandlung sind. Zwei Stunden in der Woche erhält Jonas ein individuelles Konzentrationstraining und Neurofeedback, das die Selbstregulation seines zentralen Nervensystems verbessern soll. Er liebt diese Stunden. Im Eingangsbereich der Therapiepraxis liegt meist schon Dr. Schorsch, um ihn zu begrüßen. „Allein die Tatsache, dass sich ein so großes Tier mit ihnen abgibt und sogar auf sie hört, gibt den Kindern gutes Gefühl“, weiß Edelgard Chrzanowski.
Bordeauxdogge Dr. Schorsch hat die Ruhe weg
Dass Dr. Schorsch sich durch nichts und niemand aus der Ruhe bringen lässt, war nur eine von vielen Voraussetzungen, die er als Therapiehund mitbringen musste. „Bevor die Ausbildung begann, musste er sich einem dreitägigen Wesenstest unterziehen“, erzählt sein Frauchen stolz. „Er wurde bedrängt, Lärm und vermeintlich bedrohlichen Situationen ausgesetzt. Aber Schorsch blieb gelassen. Von den 60 Hunden, die damals teilgenommen hatten, erreichte er die höchste Punktzahl. Damit konnte seine Ausbildung beginnen!“
Dr. Schorsch liebt es, mit hyperaktiven Kindern zu spielen oder tobende Kinder mit sanftem Körperkontakt zu beruhigen. Doch oft muss die große Dogge gar nicht viel tun, um den Schützlingen seines Frauchens zu helfen. „Meist genügt die Ruhe, die der Hund ausstrahlt, um Kinder und Erwachsene zu erden“, weiß Edelgard Chrzanowski aus knapp 30-jähriger Berufserfahrung. Die Psychologin hat schon immer mit Tieren gearbeitet: „Sie finden einfach viel schneller einen Zugang zu den Menschen. Wenn ein Kind beispielsweise wütend ist, dann suchen Tiere dessen Nähe und bleiben so lange, bis sich das Kind beruhigt hat – was manchmal erstaunlich schnell geht.“
Alle Kinder lieben Tiere
Tiere und aggressive Kinder – kann da nicht auch einmal etwas schief gehen? „In meiner ganzen beruflichen Laufbahn ist es noch nie vorgekommen, dass ein noch so aggressives Kind einem meiner Hunde weh getan hat!“, erzählt Edelgard Chrzanowski überzeugt. „Im Gegenteil! Ich habe den Eindruck, sie spüren eine instinktive Liebe zu den Tieren und respektieren sie!“ Als Beispiel erzählt sie von ihren hyperaktiven Patienten, die im großen Garten der Therapiepraxis Ball spielen dürfen. „Manchmal gerät das Spiel aus dem Ruder und die Kinder fangen an, grob zu werden und sich anzurempeln. Dann lege ich einfach Dr. Schorsch in die Mitte des Spielfeldes und schon sind die Kinder wieder vorsichtiger. Sie achten sehr genau darauf, um den Hund herum zu spielen und ihm nicht weh zu tun. Das geht ganz ohne Worte!“
Ruhe im Sturm sein, das kann mittlerweile auch die quirlige Mopshündin Paula, die von Dr. Schorsch als Therapiehund quasi angelernt wurde. Auch sie liebt Kinder und wenn sie nicht gerade im Bällebad schwimmt oder gekrault und geknuddelt wird, dann plaudert sie in ihrem mopstypischen Kauderwelsch fröhlich vor sich hin. Von Patienten wurde sie schon als „Fitnesstrainerin für Herz und Seele“ bezeichnet. Kein Wunder: Beim Anblick dieses freundlichen, glubschäugigen Geschöpfes geht selbst dem ängstlichsten Mensch das Herz auf!
Die Therapiehunde sind immer im Einsatz – halten bei Bedarf aber Abstand
Beide Hunde, Dr. Schorsch und Paula, sind unermüdlich im Dienst. „Ich habe selbst eine 60-Stunden-Woche“, sagt Edelgard Chrzanowski, die noch vier weitere Ergotherapeutinnen in ihrer Praxis beschäftigt. Ihr Einzugsgebiet geht über die Pfalz ins benachbarte Baden. Selbst aus dem Elsass kommen die Patienten angereist. „Unser Schwerpunkt liegt im interdisziplinären Ansatz, in der Kombination von Psychologie mit Ergotherapie. Wir behandeln Kinder, Erwachsene und ganze Familien. Und meine Hunde sind rund um die Uhr dabei!“
Kaum zu glauben, dass eine große Dogge, die unübersehbar im Eingangsbereich einer Praxis sitzt und dort die Patienten begrüßt, nicht auch einmal unüberwindliche Ängste auslöst. „Das kam noch nie vor“, sagt Edelgard Chrzanowski nicht ohne Stolz. „Dr. Schorsch weiß genau, wann und bei wem er sich zurückhalten muss. Er hält so lange Abstand, wie es nötig ist!“ Allzu ängstliche Herzen sind ohnehin ein Fall für die quirlige Paula. „Spätestens bei diesem Mops schmilzt jeder emotionale Widerstand“, lacht Edelgard Chrzanowski.