Jugendliche und Alkohol – ein Problem wird sichtbar.
Nicht immer, aber immer öfter treffen sie sich. Nicht nur zum Quatschen, sondern auch zum vorsätzlichen Besäufnis. Und das möglichst bis zur Bewusstlosigkeit. Gewonnen hat, wer überlebt. Denn dramatische Fälle akuter Alkoholvergiftung – teilweise gar mit tödlichem Ausgang – verdeutlichen ein Problem beim Konsum von Alkohol durch Jugendliche.
Laut „Sucht- und Drogenbericht der Bundesregierung 2008“ hat sich im Zeitraum von 2000 bis 2006 die Zahl der Kinder und Jugendlichen im Alter von 10 bis 20 Jahren, die wegen einer akuten Alkoholvergiftung klinisch behandelt werden mussten, von ca. 9.500 Fällen im Jahr 2000 auf etwa 19.500 Fälle derzeit mehr als verdoppelt.
Die Medien berichten inzwischen seltener über Todesfälle und deren juristische Aufarbeitung. Die Zahlen aus den wissenschaftlichen Erhebungen geben aber keinen Grund zur optimistischen Bewertung der aktuellen Lage.
Das Trinkverhalten Jugendlicher
In den Jahren 2004/2005 war ein leichter Rückgang des Alkoholkonsums bei den unter 18-Jährigen zu verzeichnen. Inzwischen steigt der Konsum wieder an. Für das Jahr 2007 wird eine durchschnittlich konsumierte Alkoholmenge von 50,4 Gramm pro Kopf und pro Woche bei den 12- bis 17-Jährigen ermittelt. 2004 lag dieser Wert mit 34,1 Gramm noch deutlich niedriger. In der Gruppe der männlichen Jugendlichen der 16- bis 17-Jährigen ist der Alkoholkonsum besonders hoch. Sie tranken 2007 wöchentlich pro Kopf etwa 154 Gramm Alkohol.
Besonders auffällig ist die Zunahme der Teilnehmer am Binge Drinking bei den 12-bis 17-Jährigen. Binge Drinking ist laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Konsum von mindestens fünf alkoholhaltigen Getränken zu einer Gelegenheit. Praktisch geht es darum, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit in sich hinein zu kippen. Der Anteil derjenigen, die innerhalb der letzten 30 Tage „gebingt“ haben, ist laut Sucht- und Drogenbericht von 23 Prozent im Jahr 2004 auf 26 Prozent im Jahr 2007 angestiegen. Dramatisch ist die Entwicklung in der Gruppe der männlichen Jugendlichen im Alter von 16 bis 17 Jahren: 63 Prozent von ihnen nahmen im Jahr 2007 an einem Binge Drinking teil. Bei weiblichen Jugendlichen derselben Altersgruppe waren es knapp 40 Prozent.
Der Anteil der 12- bis 17-Jährigen, die regelmäßig mindestens einmal in der Woche ein alkoholisches Getränk konsumieren, stieg von 21 Prozent im Jahr 2004 auf nunmehr 22 Prozent im Jahr 2007 an. Bei den männlichen 16- bis 17-Jährigen betrug dieser Wert sogar 54 Prozent im Jahr 2007.
In einer unter Leitung des Robert-Koch-Instituts (RKI) durchgeführten Studie wurde ermittelt, dass der Anteil der Jugendlichen, die bereits mindestens einmal im Leben Alkohol konsumiert haben, bei den 11- bis 17-Jährigen inzwischen den Wert von 64,3 Prozent erreicht. Bei den 17-Jährigen wurde ein Wert von 95 Prozent festgestellt Ab dem 14. Lebensjahr ist ein Anstieg von Menge und Häufigkeit des Alkoholkonsums mit dem Alter zu beobachten. Auffallend sind Differenzen zwischen den Angaben der Jugendlichen und denen der Eltern. Die Eltern gehen nur zu 51,5 Prozent davon aus, dass ihre Kinder Alkohol zu sich nehmen. Die Abweichung wird umso größer, je jünger die Kinder sind, je öfter sie Alkohol konsumieren und je hochprozentiger dieser ist.
Die Studie bestätigte geschlechterspezifische Unterschiede. So trinkt unter den 17-Jährigen 67,2 Prozent der Jungen, aber nur 39,7 Prozent der Mädchen regelmäßig mindestens einmal wöchentlich Alkohol. Bei Unterschieden nach Bevölkerungsgruppen ist feststellbar, dass regelmäßiger Alkoholkonsum bei Jugendlichen aus Migrantenfamilien nicht so häufig ist wie bei gleichaltrigen Deutschen. Der soziale Status der Jugendlichen ist dagegen kein Indikator für den Alkoholkonsum. Jugendliche aller Schichten konsumieren ähnlich viel Alkohol.
Maßnahmen zur Hilfe und Prävention
Es gibt verschiedene Ansätze zur Begrenzung des Alkoholkonsums unter Jugendlichen. Dazu gehört das Modellprogramm „HaLT- Hart am LimiT“, dass 2003 vom Bundesministerium für Gesundheit initiiert wurde. Das Projekt verfolgt eine Doppelstrategie. Einerseits wird Jugendlichen, die bereits mit einer Alkoholvergiftung aufgefallen sind, Hilfe und Beratung angeboten. Zum anderen werden in Kommunen Netzwerke aufgebaut, die für die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes eintreten und Initiativen gegen exzessiven Alkoholkonsum entwickeln. Handel, Gastronomie, Kommune, Polizei, Erziehungsberechtigte, Schulen und Vereine sollen beteiligt werden. Zur Verwirklichung dieser Strategien werden Präventionseinrichtungen vor Ort gegründet. Die wissenschaftliche Begleitung ermittelte positive Wirkungen des Konzeptes. Eine Ausweitung auf weitere Standorte ist möglich.
Unter dem Titel „NA TOLL – Bist du stärker als Alkohol“ wendet sich seit 2001 die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gezielt an Jugendliche, damit sie zu einem kritischen und distanzierten Verhältnis zum Alkohol kommen. Eine spezielle Internetseite und Beiträge in Printmedien sollen die Jugendlichen erreichen. Dazu werden Peer-Gruppen initiiert. Peers sind geschulte Jugendliche zwischen 19 und 25 Jahren, die das Gespräch mit den Gleichaltrigen in deren Alltag suchen.