Ein Biomassekraftwerk: Wie funktioniert das eigentlich? Biomasse und Ökostrom. Ökostrom aus erster Hand: Biomassekraftwerke liegen im Trend. Funktion und Hintergründe am Beispiel des Biomassekraftwerkes der Deponie Wicker im Rhein-Main-Gebiet.
Niemand kann es wirklich übersehen haben – seit dem 16. August 2002, dem ersten offiziellen Spatenstich zur Errichtung des Biomassekraftwerkes, hat sich auf dem Gelände der Rhein-Main Deponie Flörsheim-Wicker einiges verändert: Neben den neu errichteten und mit gelb-grünen Dächern ausgestatteten Hallen der Bodenbehandlungsanlage zieht vor allem das 30 Meter hohe, in Grüntönen gehaltene Kessel-Gebäude mit seinem alles überragenden, farbenfrohen Schornstein die Blicke auf sich.
Doch warum ein Biomassekraftwerk und was passiert dort eigentlich?
Um dies zu verstehen, muss man nicht tief in die Verfahrenstechnik einsteigen – man erinnere sich nur an das letzte Lager- oder Kaminfeuer, welches – fast – jeder schon einmal entzündete und dafür Hölzer, Äste oder Scheite zusammengetragen und verbrannt hat. Neben der anheimelnden Atmosphäre entsteht dabei vor allem eines: Wärme.
Im Wickerer Biomassekraftwerk schaut man zwar nicht auf die romantische Wirkung des Feuers, dafür aber auf die großtechnische Umwandlung der bei der Verbrennung von Holz entstehenden Wärme in eine für uns wichtige Energie: Strom.
Hierbei greift man allerdings nicht auf das Holz gefällter Bäume zurück, sondern nutzt die Nähe der Deponie. Jährlich werden dort fast 5 000 Lkw-Ladungen Altholz angeliefert und somit 90 000 Tonnen des brennbaren Materials gesammelt. Während vor Inbetriebnahme des Biomassekraftwerkes das Holz anschließend an Heizkraftwerke in der gesamten Bundesrepublik verteilt wurde, dient es nun als Rohstoff für den eigenen Ökostrom.
Ausgangspunkt des Kraftwerkes ist eine eigens dafür errichtete Aufbereitungsanlage
Dort werden Holzpaletten, Kisten, Möbel, Dielen und viele andere Althölzer, die allesamt frei von Holzschutzmitteln sein müssen, sortiert, von Fremdstoffen befreit und anschließend geschreddert. Die gewonnenen Holzspäne werden nun in den Kesselofen des Kraftwerkes gefördert und dort verbrannt. Die dabei entstehende Wärme wiederum heizt Wasser derart stark auf, dass Wasserdampf mit einer Temperatur von bis zu 450° C und sehr hohem Druck entsteht. Dieser Hochdruckdampf treibt eine Turbine an, die nun mit Hilfe eines angeschlossenen Generators die Wärmeenergie in elektrische Energie, in Strom umwandelt. Der gesamte Prozess sowie die einzelnen Teilanlagen werden über eine zentrale hochmoderne Schaltwarte überwacht.
Aus Altholz wird Energie
Auf diese Art und Weise können im Biomassekraftwerk der Deponie Wicker jährlich 90 000 Tonnen Altholz in 15 Megawatt elektrische Energie umgewandelt werden, was ausreicht, um 35 000 Haushalte mit ökologisch erzeugtem Strom zu versorgen.
Bleibt noch zu klären, welchen Einfluss diese Art der Stromerzeugung auf die Umwelt hat – weiß man doch, dass das Verbrennen von Holz nicht nur Wärme liefert, sondern auch Asche und Abgase entstehen, die nicht automatisch schadstoffarm sind.
Im Falle des Wickerer Biomassekraftwerkes kann sich die Umweltbilanz jedoch sehen lassen: Da der Abtransport des Altholzes aufgrund der nun stattfindenden Eigennutzung nicht mehr notwendig ist, reduziert sich auch der Lkw-Verkehr um rund 5 000 Transporte pro Jahr – inklusive der Lärm- und Abgasbelastung.
Die Kehrseite?
Die bei der Holzverbrennung anfallenden Asche- und Staubrückstände, zirka 7 700 Tonnen jährlich, werden unterschiedlichen Entsorgungswegen zugeführt. Ein Viertel dieser Reststoffe, die „Schlacke“ aus dem Kesselofen, kann nach Durchlaufen einer Aufbereitungsanlage auf der Deponie in Wicker verbleiben. Der Rest wird zur Zeit noch der Untertage-Deponie in Bad Friedrichshall zugeführt.
Allerdings laufen seit Inbetriebnahme des Biomassekraftwerkes Langzeitanalysen, die bestätigen sollen, dass auch die Schadstoffbelastung dieser Rückstände zum größten Teil so gering ist, dass eine Deponierung in Flörsheim-Wicker möglich ist. Hierzu möchten die Verantwortlichen der Biomasse Rhein-Main AG aber mit stabilbleibenden Messwerten aufwarten, um sicherzustellen, dass die Kraftwerksanlage eine konstante Qualität der Reststoffe liefert, was mit einer ständigen Optimierung der einzelnen Prozesse einhergeht.
Abgas und Gas
Das bei der Verbrennung entstehende Abgas durchläuft mehrere Rauchgasreinigungsanlagen, bevor es das Kraftwerk durch den 40 Meter hohen Schornstein verlässt. Laut den Angaben des Betreibers werden dabei die Schadstoffe soweit herausgefiltert, dass praktisch alle Belastungswerte unterhalb der behördlich festgelegten Bagatellgrenze liegen. Die Messwerte werden mit modernster Technik kontinuierlich erfasst und registriert.
Und was ist mit Kohlendioxid? Jenem Treibhausgas, welchem die Hauptschuld für die Zerstörung der schützenden Ozonschicht zugeschrieben wird, das nicht herausgefiltert werden kann, aber bei der Verbrennung von Kohle, Erdöl und auch Holz entsteht? Im Gegensatz zu den anderen Energielieferanten entsteht bei der Holzverbrennung nur soviel Kohlendioxid, wie vorher beim Wachstum dieser Bäume unserer Atmosphäre entzogen wurde. Ob nun eine bestimmte Menge Holz in der Natur verrottet oder die gleiche Menge Holz verbrannt wird, es entsteht jeweils die identische Menge des Treibhausgases.
Fazit
Das Biomassekraftwerk Flörsheim-Wicker erspart somit im Vergleich zu einem herkömmlichen Kohlekraftwerk täglich 350 Tonnen bzw. 2,7 Millionen Kubikmeter zusätzliches Kohlendioxid in unserer Atmosphäre – bei einer Betriebsdauer von 20 Jahren wären dies immerhin 2,5 Millionen Tonnen oder 20 Milliarden Kubikmeter dieses Gases.
Das Biomassekraftwerk ist somit ein Beitrag des Rhein-Main-Deponieparks zur Förderung des Klimaschutzes, wobei man nicht aus den Augen verlieren darf, dass der angesprochene Kohlendioxid-Kreislauf nur dann wirklich greift, wenn nicht mehr Holz verbrannt wird als Holz in Form neuer Wälder nachwachsen kann…