Einstmals stand körperliche Fülle für Wohlergehen, Macht und Prestige, aber auch Gesundheit. Umgekehrt galten Hungerhaken als arm und von niederem Rang und eben nicht als gesund. Dies entbehrte nicht einer gewissen Logik, denn Dünnsein war vor unserem Zeitalter des Überflusses oftmals tatsächlich Folge einer der Armut verschuldeten Mangelernährung, während vornehmlich in besseren Kreisen vorzufindende Wohlbeleibte keinen Nährstoffmangel leiden mussten. Daher galt auch das zusätzliche Pfunde verschaffende Fett als gesund und von so manchen Großeltern bekommt man diese Triviallogik auch heute noch vorgehalten. Dank der medizinischen Forschung wurde das Fett aber gegen Mitte des letzten Jahrhunderts zum allseits anerkannten Feind der Gesundheit. Verantwortlich war der Nachweis der Arterienverfettung als Todesursache Nummer eins. Doch die auf dem Fuße folgende Verteufelung des Fettverzehrs nach dem Motto „Fett macht fett“ erweist sich nach neueren Erkenntnissen als nicht haltbar.
Fett fördert nicht per se Fettleibigkeit
Inzwischen sind die wahren Auslöser der Arterienverfettung – im Fachjargon Arteriosklerose genannt – aufgeklärt. Eine entscheidende Rolle spielt die Gesamtkalorienaufnahme, egal welchen Ursprungs sie ist. Im Übermaß verfügbare Kalorien, die nicht verstoffwechselt werden, speichert der menschliche Organismus in Fettzellen ein. Ob die Kalorien in Form von Fett oder Kohlenhydraten vorliegen, ist dabei unerheblich, denn überschüssige Glykose wird schlichtweg in Fett umgewandelt. Erst die Überhand nehmenden Fettzellen beeinträchtigen den gesunden Stoffwechsel. Erhöhte Cholesterinwerte, hoher Blutdruck, diabetische Zustände, kurzum das metabolische Syndrom sind die Folge. All diese Faktoren leiten schließlich die Arteriosklerose ein. Lediglich eine sehr hohe Aufnahme des LDL-Cholesterins, welches an sich kein Fett ist, oder dieses fördernder Fettsäuren wirkt sich unmittelbar ungünstig auf die Blutfettwerte aus. Auf diese Fettsäuren wird noch einzugehen sein.
Auf der Hand liegt, dass der Austausch von Fett durch Kohlenhydrate nicht die Lösung beim Abnehmen sein kann. Ganz im Gegenteil, lösen doch allzu süße Kohlenhydrate Heißhungerattacken aus – die Spirale zu noch mehr Süßigkeiten und Gewichtszunahme ist in Gang gesetzt. Umgekehrt ist die Erhöhung des Fettverzehrs erfolgsversprechend. Es werden nicht nur Heißhungerattacken vermieden, auch hilft Fett diabetische Zustände in Schach zu halten. Aufgrund der praktisch nicht vorhandenen glykämischen Belastung gelangt keine Glukose ins Blut und die Insulinresistenz kommt nicht zum Tragen. Diese These konnte in wissenschaftlichen Studien gut belegt werden. So sanken die Blutzuckerwerte von Typ-II-Diabetikern in der auf Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index setzenden Heilmeyer-Studie auf nahezu Normalwerte. Gegen die Fetthysterie konnten diese neuen Erkenntnisse bislang allerdings noch wenig ausrichten. Ein Freibrief für ungezügelten Fettkonsum sind sie ebenso wenig, denn Fett ist in die Gesamtkalorienbilanz weiterhin einzurechnen.
Bestimmte Fette sind Gesundmacher par excellence
Die Rehabilitation des Fettes ist nicht der Weisheit letzter Schluss. So verschieden die einzelnen Fettsäuren sind, so unterschiedlich sind ihre speziellen Wirkungen auf den menschlichen Organismus. Am nachteiligsten wirken sich die „bösen“ gesättigten Fettsäuren aus, die vor allem in tierischen Produkten vorzufinden sind. Diese erhöhen das LDL-Cholersterin, das sich wegen seiner geringen Dichte in Arterienwänden festsetzen kann. Denselben Effekt auf das Cholesterin haben gehärtete Fette, die beim Erhitzen ungesättigter Fettsäuren entstehen und in Keksen, Kartoffelchips oder Salzstangen enthalten sind. Hingegen ist für naturbelassene ungesättigte Fettsäuren, die unter anderem in den meisten Nussorten, Seefisch oder Wildfleisch vorkommen, eine Erhöhung des HDL-Cholesterins hoher Dichte nachgewiesen. Dieses HDL-Cholersterin ist ausgesprochen nützlich, da es das LDL-Cholesterin aus den Arterien entfernen kann.
Auf das Verhältnis kommt es an
Von besonderer Wichtigkeit ist das Verhältnis zwischen den mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren und den Omega-6-Fettsäuren, das eins zu zwei bis maximal eins zu vier liegen sollte. Ansonsten können die Omega-6-Fettsäuren entzündungsfördernd wirken. Es gilt ebenfalls zu beachten, dass mehrfach ungesättigte Fettsäuren anfällig für chemische Reaktionen mit Sauerstoff sind, mithin zum zellschädigenden oxidativen Stress führen können. Um dieser Lipidperoxidation Einhalt zu gebieten, ist der gleichzeitige oder vorausgehende Konsum von Antioxidantien enthaltenden Lebensmitteln zu empfehlen. Ein Gläschen Rotwein zu einer käsereichen Pizza ist beispielsweise ideal, da die im Rotwein enthaltenen Polyphenole ausgesprochen effektive Antioxidantien sind. Zu den „guten“ Fetten zählen schlussendlich auch die einfach ungesättigten Fettsäuren, die zum Beispiel reichlich in Oliven oder wiederum Nüssen vorkommen. Sie senken ebenfalls das LDL-Cholesterin.
Und so kann, wenn auch nicht nach der Triviallogik unserer Vorfahren, wieder gesagt werden: Fett ist gesund. Das gilt mitnichten für das Fettsein. Dieses ist, wie gezeigt worden ist, nach wie vor ungesund. Maßhalten anstatt Verteufelung und Wissen um „gute“ und „böse“ Fette ist im Hinblick auf den Fettverzehr richtungweisend auf dem Weg zur Gesundheit.