Nahrungsergänzungsmittel wie Omega-3-Fettsäuren oder Selen gibt es mittlerweile schon im Discounter. Was unterscheidet sie von den Produkten aus der Apotheke?
Zwischen Duschgel, Zahnpasta und Handcreme auf der einen, Papiertaschentüchern, Servietten und Haushaltstüchern auf der anderen Seite haben sich nun auch in den Aldi-Regalen Nahrungsergänzungsmittel breit gemacht. Da gibt es Brausetabletten mit Vitamin C, Calcium oder Magnesium, aber auch L-Carnitin-, Lachsöl-, Vitamin-C-Depot-, Teufelskralle-, Vitamin-E-, Co-Enzym Q 10 und Multivitamin-Kapseln.
In der Apotheke auf Augenhöhe, aber hinter dem Tresen: hier buhlen weitere Nahrungsergänzungsmittel um die Käufergunst. Rund 40 sind es, wie Christl Lingg, PTA und Mitinhaberin der Auerhahn-Apotheke in Karlsruhe-Durlach kurz überschlägt. Die vielen diätetischen Lebensmittel, wie Eiweißdrinks und isotonischen Getränke nicht eingerechnet.
Da hat der Kunde die Qual der Wahl. Wohl dem, der ein wenig Hintergrundwissen hat und – rechnen kann! Und gerechnet wird längst nicht nur beim Preis, sondern vor allem bei den Inhaltsstoffen.
Auf den Inhalt kommt es an
Wie viele Inhaltsstoffe ein Nahrungsergänzungsmittel haben darf, regelt die Nahrungsergänzungsmittelverordnung. Als Grundlage gilt hier die Überlegung, dass ein Arzneimittel, das zur Linderung von Krankheiten oder Beschwerden dient und zugelassen werden muss, höhere Inhaltsstoffe haben darf als ein Nahrungsergänzungsmittel. Ein Nahrungsergänzungsmittel soll – wie der Name schon sagt – nur eventuelle Defizite ergänzen und ist daher für gesunde Menschen gedacht, nicht für kranke. Zudem enthalten Nahrungsergänzungsmittel auch immer Inhaltsstoffe, die auch in unserer täglichen Ernährung vorkommen.
Gibt nun ein Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln ein hoch dosiertes Mittel auf den Markt, kann es beanstandet und vom Markt genommen werden. Hier gab es in der Vergangenheit etliche Musterprozesse, die viele Hersteller entnervt haben. Daher packen die meisten von ihnen nur noch Miniaturmengen an Inhaltsstoffen ab.
Preis-Leistungsverhältnis in der Praxis
Beispiel: L-Carnitin. Orthomolekular-Mediziner empfehlen die tägliche Einnahme von bis zu 1000 mg L-Carnitin täglich. Doch ein Carnitin-Urteil beschränkte die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln auf einen Kapselinhalt von 200 bis 300 mg. Nur wenige Hersteller, wie beispielsweise Medicura, stellen noch L-Carnitinkapseln mit 500 mg Inhalt her.
Wer herausfinden will, wie viel Carnitin in den Aldi-Kapseln ist, muss erst den Taschenrechner bemühen. Auf der Inhaltsangabe steht: „60 Kapseln = 33,7 Gramm“ und die Zutatenliste weist nur „L-Carnitin 44,48%“ aus. Regina Schröder, Diplom-Oecotrophologin und Mitarbeiterin „Wissenschaftliches Marketing“ der Herstellerfirma Sankt Pirmin in Bad Vilbel rechnet vor: „33,7 dividiert durch 60 mal 44,48 Prozent sind gleich 249,8293, also rund 250 Milligramm Carnitin.“
Beim Preis schlägt Aldi die Apotheke in diesem Fall nur um Zehntelcent-Breite. Die 60 Kapseln à 250 mg Carnitin kosten bei Aldi € 4,99. Medicura verlangt für 90 500 mg-Kapseln € 15,00.
Der Rohstoff macht den Preis
Was die Preisgestaltung anbelangt, bringen die Nahrungsergänzungsmittelhersteller, deren Produkte nur im ausgesuchten Fachhandel, also in Reformhäusern, Studios oder Apotheken erhältlich sind, gerne den Rohstoffpreis ins Spiel. „Wer qualitativ gute und daher teure Rohstoffe einkauft und verarbeitet, muss den Preis entsprechend weitergeben“, erklärt der Biologe Gunther Schmitt, der für die CuraSport-Institut®-Kette die Rezepturen für einen Eiweißshake und verschiedene Riegel entwickelt hat. Er hat beispielsweise auf Carnitin in seinem Shake VitalAmin verzichtet – weil der qualitativ hochwertige Rohstoff zu teuer war.
Qualitativ hochwertig sind Rohstoffe dann, wenn sie der Körper schnell und möglichst uneingeschränkt resorbieren kann. Gerade aber was diese Bioverfügbarkeit eines Produkts anbelangt, sind die standardisierten Mittel aus der Apotheke den Discounter-Produkten oft weit überlegen. „Unter orthomolekularer Medizin versteht man nun einmal einfach mehr als nur unter Zink oder Kalzium“, so der Orthomolekular-Experte und Facharzt für Innere Medizin Dr. Friedrich Douwes aus Bad Aibling. „Sie berücksichtigt die ganze Palette der Vitamine und Mineralstoffe, aber auch der sekundären Pflanzenstoffe. Firmen, die sich damit beschäftigen, bieten oft das ganze Spektrum der orthomolekularen Medizin an, fertigen Studien an, geben Studienergebnisse heraus und halten sich auch an deren Ergebnisse.“
Schlagwort Bioverfügbarkeit
Das ist in der Tat nicht unwichtig, wie die Beispiele Zink und Selen zeigen. Beide Mineralstoffe gibt es sowohl organisch als auch anorganisch im Handel. Studien beweisen, dass Zink als organisches -aspartat, -gluconat, -sulfat oder -orotat vom Körper wesentlich besser resorbiert wird als in seiner anorganischen Form als Zinkoxid oder -fluorid. Hier ist die organische Form der anorganischen eindeutig vorzuziehen. Anders bei Selen. Zwar wird auch hier die organische Form besser resorbiert, führt aber zu teilweise schweren Nebenwirkungen. Experten empfehlen daher die Gabe einer anorganischen oder gebundenen Form wie natrium selenit oder Selenhefe, da sie nicht überdosiert werden kann.
Wichtig für die Bioverfügbarkeit ist auch die Darreichungsform. „So manches Mittelchen hat den Blutkreislauf nie erreichen können, weil die Magensäure schneller war!“ schmunzelt Bernd Lachenmaier von der Firma Euro Nutrador B.V. Die Niederländer setzen daher auf Kapselmaterial, das sich erst im Dünndarm auflöst, wo die Nährstoffe ganz natürlich aufgenommen werden. Die Aldi-Alternative von St. Pirmin hingegen ist eine Hartgelatine-Kapsel, die bereits im Mund weich wird und im Magen schnell verdaut ist.
„Die orthomolekulare Medizin ist eine sehr komplexe Wissenschaft“, betont Dr. Friedrich Douwes. Leider auch eine, von der kaum einer etwas versteht, möchte man seufzend hinzufügen. Denn die wenigsten Ärzte haben sich bislang in Sachen orthomolekularer Medizin weitergebildet. Apotheker sehen daher ihren großen Pluspunkt in der Beratung. „Dabei sind wir ja von den einzelnen Firmen vollkommen unabhängig und können wirklich auf die persönlichen Bedürfnisse unserer Kunden eingehen“, betont Christl Lingg von der Auerhahn-Apotheke.
Fazit
Für die meisten Kunden ist daher die Apotheke der schnellste und sicherste Weg zu einer guten Nahrungsergänzung. Wer sich auskennt und den Zeitaufwand nicht scheut, für den lohnt sich aber auch ein Preisvergleich. Die meisten Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln beraten auch am Telefon. Wie kompetent, ist allerdings wieder eine andere Frage.