Bei starkem „kosmetischen Schwitzen“ in den Sommermonaten verspricht die Behandlung mit Botulinumtoxin A gute Therapieerfolge. Das Schwitzen wird weniger.
„Models lassen sich die Schweißdrüsen der Achselhöheln mittels Botox-Spritze lahm legen, damit teure Designermodelle nicht durch Schweißränder in Mitleidenschaft gezogen werden.“ Diese Meldung dürfte bei einigen Lesern für Kopfschütteln sorgen. Doch Menschen, die unter übermäßigem Schwitzen (Hyperhidrose) leiden, möchten sicher mehr über dieses Thema erfahren. Bitte sehr.
Schwitzen und Hyperhidrose
Schwitzen ist für den Körperhaushalt lebenswichtig. So kühlt der Schweiß die Haut und verhindert damit, dass der Körper überhitzt. Auf diese Klimaanlage von Mutter Natur ist in der Regel Verlass. Doch schätzungsweise zweieinhalb Millionen Menschen in Deutschland – manche Quellen gehen sogar von bis zu 10 Prozent der Bevölkerung aus – machen andere Erfahrungen. Sie schwitzen nicht nur an heißen Sommertagen, sondern das ganze Jahr hindurch besonders stark. Nicht selten sind sie mindestens einmal pro Woche total nass geschwitzt. Liegt es daran, dass sie mehr Schweißdrüsen haben als andere? Keineswegs. Jeder Mensch hat rund drei Millionen Schweißdrüsen, die fast über den ganzen Körper verteilt sind. Die meisten Schweißdrüsen sind auf den Handflächen, den Fußsohlen und unter den Armen zu finden. Für den frühen Menschen war dies von Vorteil, konnte er doch dank der vermehrten Feuchtigkeit besser greifen und laufen. Doch der moderne Mensch fühlt sich unwohl, wenn er müffelt, oder wenn Hände, Füße und Achseln schweißnass sind. Da hilft auch kein Verweis auf die Evolutionsgeschichte.
Schwitzen ist ein unwillkürlicher Vorgang, den wir nicht beeinflussen können. Das vegetative Nervensystem arbeitet hier automatisch. Es gibt allerdings bestimmte Faktoren, die aktivierend auf die Schweißdrüsen wirken, etwa emotionaler Stress, Alkohol- und Kaffeegenuss, Krankheiten oder Medikamente. Aus diesem Grund klären Ärzte ab, welche Ursachen für die Hyperhidrose verantwortlich sind. Liegt eine Erkrankung vor, wird diese vorrangig behandelt. Werden keine Ursachen für das übermäßige Schwitzen gefunden, konzentrieren sich alle Bemühungen auf die Schweißdrüsen. Je nach Schweregrad der Erkrankung werden nach der Diagnosestellung geeignete Therapiemaßnahmen ergriffen. Die Palette der Behandlungsoptionen reicht von speziellen Deodorants, Spezialbädern und Medikamenten über Strombehandlungen (Iontophorese) bis zu operativen Eingriffen an den Schweißdrüsen. Eine Operation sollte jedoch als Ultima Ratio nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn alle anderen Maßnahmen versagt haben.
Seit einiger Zeit wird übermäßiges Schwitzen auch mit Botulinumtoxin A („Botox“) behandelt. Diese Therapie ist allerdings nicht für jeden Patienten und jede Indikation geeignet. Patienten, die in den Sommermonaten verstärkt an einer lokal begrenzten Hyperhidrose (fokale Hyperhidrose) leiden, scheinen besonders gut für die Botox-Behandlung geeignet zu sein.
Wie „Botox“ Schweißdrüsen bändigt
Botulinumtoxin A („Botox“) unterbindet vereinfacht gesagt den Schwitzbefehl an die Schweißdrüsen, indem das Nervengift die Reizübertragung vom Nerv an die Schweißdrüse monatelang verhindert. Erste Ergebnisse zeigen sich nach ca. drei Tagen: Das Schwitzen wird deutlich weniger.
Die Vorstellung, sich Spritzen in die Achselhöhle setzen zu lassen, ist garantiert nicht jedermanns Sache. Und die Aussicht auf bis zu 50 Einstiche pro Achsel dürfte bei einigen Patienten für weiche Knie sorgen. Zudem werden die Behandlungskosten (ab ca. 400,- Euro pro Behandlung) meistens nicht von der Krankenkasse übernommen. Die Behandlung verspricht jedoch nach Auffassung der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Botulinumtoxin-Therapie e.V. (DGBT) gute Therapieergebnisse. Bei korrekter Anwendung gibt es Experten zufolge fast keine Nebenwirkungen. Diverse Quellen berichten lediglich über Blutergüsse an den Einstichstellen und flüchtige Kopfschmerzen. Weitere Informationen bietet die DGBT-Pressemitteilung Schweißflecken ade!
Schweißflecken als gesellschaftliches Stigma
Immer noch wird übermäßiges Schwitzen mit mangelnder Körperhygiene gleichgesetzt. Das mag ein Grund sein, warum Hyperhidrose-Patienten nicht nur sehr leiden, sondern sich aus falscher Scham sozial isolieren. Große Schweißränder oder verräterische Verfärbungen durch Deoprodukte auf Blusen und Hemden nagen permanent am Selbstwertgefühl und fördern soziale Phobien. Doch dieser Leidensdruck kann wiederum die Schweißbildung weiter erhöhen. Wer diesen Teufelskreis durchbrechen will, sollte sich deshalb unbedingt professionelle Hilfe holen.
Hilfsangebote für Betroffene
Die meisten Universitätskliniken bieten spezielle Hyperhidrose-Sprechstunden an. Falls nicht, können sie Medizinerkollegen empfehlen, die Erfahrungen auf diesem Gebiet haben. Unterstützung bieten auch Selbsthilfegruppen. Die erste für stark Schwitzende, die Hyperhidrose e.V., wurde übrigens 1999 in Berlin gegründet. Im Internet gibt es darüberhinaus Informationsagebote selbst betroffener Personen. Ein Surf-Tipp ist die informationsstarke Hyperhidrose-Infoseite.