Nach oben, zur Seite und in die Tiefe: Diese drei Dimensionen mag der Mensch. So macht er sich sein Bild, in der Medizin zum Beispiel mit Röntgenstrahlen oder Kernspintomographie. Bei weichen und vergleichsweise durchsichtigen Stoffen wie dem des menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Körpers klappt das sogar recht gut. Bei harten Materialen wie Eisen und Stahl dagegen bislang noch nicht. Forschern der Technischen Fachhochschule Berlin und des Hahn-Meitner-Instituts ist es gelungen, Magnetfelder in massiven, nicht transparenten Materialien dreidimenslonal darzustellen. er Forscher Nikolay Kardjilov und seine Kollegen berichten davon in der April 2008-Ausgabe der Zeitschrift Nature Physics.
Neutronen als eine Art Kompassnadel genutzt
Die Forscher nutzten für ihr Experiment die Neutronen-Tomographie. Neutronen sind elektrisch ungeladene Elementarteilchen, die aber magnetisch sind. Oder genauer gesagt, ein „magnetisches Moment“ besitzen. Deswegen sind sie besonders geeignet, mit ihnen Phänomene wie den Magnetismus zu untersuchen. Sie verhalten sich im Magnetfeld ähnlich wie Kompassnadeln; sie führen also kleine Kreiselbewegungen um die Achse eines angelegten Magnetfeldes aus. Dieser sogenannte Neutronenspin kann polarisiert werden. Das heißt, alle Kompassnadeln richten sich gleichmäßig zum Magnetfeld aus. Wird eine Probe mit derartigen spinpolarisierten Neutronen bestrahlt, ändert sich der Drehwinkel der kleinen Kreisel, ihre Spinrotation.
Neutronen drehen in einer Richtung
Die Forscher haben hat dieses Phänomen als Messgröße für ihre Tomographie-Experimente genutzt. Sie haben Apparaturen entwickelt, so genannte Analysatoren, die nur Neutronen mit einer bestimmten Drehrichtung passieren lassen. Damit wird dann das Bild erzeugt.
Ähnlich wie im menschlichen Körper
Knochen oder Gewebe lassen beim Bestrahlen mit Röntgenlicht je nach ihrer Dichte die Lichtwellen in unterschiedlicher Intensität passieren. „So ähnlich ist es mit unserer magnetischen Probe, die die Spinrotation der Neutronen ändert“, erläutert Kardjilov. „Der nachgeschaltete Analysator lässt nur Neutronen mit einem bestimmten Drehspin passieren.“ Dadurch wird ein Kontrast erzeugt, dessen Stärke davon abhängt, wie die magnetischen Eigenschaften in der Probe verteilt sind. Das dreidimensionale Bild entsteht, wenn die Materialprobe während der „Behandlung“ gedreht wird.
Wichtig für Wissen über Supraleitungen
Das ist zum Beispiel wichtig für die Erforschung vom Hochtemperatursuparleitungen. 3D-Bilder helfen zu verstehen, wie sich magnetische Flusslinien verteilen und wie man diese Flusslinien im Material festhalten kann. Mit Kardjilovs Experimentaufbau wird es nun unter anderem möglich sein, magnetische Felder in magnetischen Kristallen dreidimensional zu visualisieren.
Seit 2005 beschäftigti sich Kardjilov am Hahn-Meitner-Institut mit Neutronentomographie. Grundlage für den Erfolg der Experimente war auch, dass die HMI-Forscher die Polarisatoren und Analysatoren sowie ortsauflösende Detektoren selbst entwickelt haben.
Spezialität 3D
Die dreidimensionale Abbildung von Werkstoffen und Geräten ist einer der Arbeitsschwerpunkte des Institutes. Die meisten dieser Verfahren setzen eine umfangreiche wissenschaftliche Infrastruktur voraus und sind daher nur an einigen wenigen wissenschaftlichen Großforschungszentren verfügbar. Die Neutronentomographie ist so eine Methode. Die Untersuchungsobjekte werden mit Neutronen „durchleuchtet“, die am HMI der Forschungsreaktor BER II bereitstellt. Das Verfahren erlaubt beispielsweise, Wasseransammlungen hinter einem Metallgehäuse sichtbar zu machen. Es wird daher erfolgreich in der Brennstoffzellenforschung eingesetzt. Aber auch das Innenleben von Motoren, Batterien und sogar archäologischen Objekten kann dreidimensional dargestellt werden.
Eine andere Methode – die Synchrotrontomographie – zeigt Strukturen mit einer Genauigkeit von einem Tausendstel Millimeter. Mit ihr kann man verschiedene chemische Elemente getrennt darstellen. Typische Untersuchungsobjekte sind unterschiedliche Werkstoffe, elektronische Bauteile, Gesteine aber auch Zähne und Knochen. Die für das Verfahren benötigte Synchrotronstrahlung nutzen die HMI-Forscher am Berliner Elektronenspeicherring BESSY.