Nicht immer fällt der Konsument Kaufentscheidungen aus einer Notwendigkeit heraus, denn Werbebotschaften wecken nur allzu oft überflüssige Wünsche.
Die Marketingbranche macht keinen Hehl daraus, dass sie mit Werbebotschaften versucht, die Kommunikationsempfänger in ihren Kaufentscheidungen zu beeinflussen. Das Ergebnis ist, dass Konsumenten oftmals ihre Portemonnaies öffnen und Produkte oder Dienstleistungen, die sie nicht benötigen, kaufen oder in Anspruch zu nehmen. Da Kaufentscheidungen dieser Art nicht aus dem Bewusstsein kommen können, müssen sie sich aus dem Unbewussten ableiten. Die Frage ist nun, in wie weit dringt Werbung tatsächlich bis dorthin vor?
Reklame früher und heute und das 40-Bits-Bewusstsein
Es ist schon einige Jahre her, dass Reklame eher zurückhaltend und vor allem nur über Fernsehen, Zeitschriften, Tageszeitungen und Plakate verbreitet wurde. Heutzutage finden wir Werbeanzeigen fast überall, beispielsweise auch auf Bäckertüten, den Rückseiten von Kinokarten und natürlich im Internet. Fast keine freien Flächen lassen die Werbeprofis ungenutzt.
Darüber hinaus spricht Werbung den Konsumenten heutzutage anders an. Denn sie wendet sich nicht direkt an ihn, sondern vielmehr an sein Unterbewusstsein, das sich gegen zu viele Botschaften nicht wehren kann. Schuld daran ist das 40-Bits-Bewusstsein. In dem Buch „Wie Werbung wirkt: Erkenntnisse des Neuromarketings“ von Christian Scheier und Dirk Held erklären die Autoren, dass die fünf Sinne das Gehirn in jeder Sekunde mit elf Millionen Bits versorgen. Unser bewusstes Erleben verarbeitet im gleichen Zeitraum jedoch nur 40 bis 50 Bits. Das Fazit daraus ist: „Fast 100 Prozent der Daten, die das Gehirn aufnimmt, verarbeiten wir unbewusst, sie wirken implizit auf und in uns.“
Hat die AIDA-Formel ausgedient?
Die Werbebranche ging früher zunächst einmal von der AIDA-Formel aus. Der Begriff AIDA setzt sich dabei aus den Anfangsbuchstaben der Wörter Attention, Interest, Desire und Action zusammen. Das heißt nichts anderes, als dass beim Kunden zu Beginn Aufmerksamkeit erregt und Interesse geweckt werden soll. Das Interesse soll dann zu dem Wunsch führen, einen Kauf zu tätigen und dies schließlich in die Tat umzusetzen. Doch wie so vieles, ist auch Werbung inzwischen zu einer Wissenschaft für sich geworden, in die Außenstehende nicht wirklich Einblick haben, da die Materie sehr komplex ist. Und: Das Ende der Zurückhaltung ist längst eingeläutet.
Der Auto-Pilot – das Unbewusstsein geht einkaufen
Wenn das Waschpulver zur Neige geht oder die Milchtüte fast leer ist, kommen diese beiden Posten auf den Einkaufszettel. Menschen kaufen jedoch auch viele Produkte, die sie nicht brauchen, denn den Marketingabteilungen gelingt es, unseren sogenannten Auto-Piloten anzusprechen. Und das funktioniert entsprechend des 40-Bits-Bewusstseins zunächst einmal über die Anzahl der Werbebotschaften, die täglich auf den Verbraucher niedergehen.
Die Disziplin des Neuromarketings bombardiert das Unbewusstsein also geradezu, schaltet die Logik im Gehirn ab, um dort Reize auszulösen, die zu Kaufentscheidungen führen. Das Kosten-Nutzen-Verhalten, das den Verbraucher davor bewahren soll, unnötig Geld auszugeben, wird dabei deaktiviert. Der „Homo oeconomicus“ gibt an dieser Stelle auf.
Die neue Werbeformel: Signale, Bedeutung, Belohnung, Kauf
Doch die Werbung arbeitet noch mit einem weiteren Werkzeug. Die Signale einer Marke können so gesteuert werden, dass Konsumenten sie sympathisch und positiv vermerken. Diese Emotionen dringen zum Auto-Piloten vor, die Marke bekommt so einen psychologischen Wert und eine Bedeutung. Der Kauf schließlich soll eine Belohnungserwartung erfüllen. Der Neuromarketingspezialist Martin Scarabis fasst in diesem Zusammenhang sechs Belohnungswerte zusammen: Erregung, Abenteuer, Automonie, Kontrolle, Sicherheit und Genuss.
Wer also autonom sein möchte, wird eher das Produkt einer Marke, die Macht und Stärke impliziert, kaufen. Marken, die Geborgenheit und Fürsorge vermitteln, sind dagegen eher etwas für Menschen, denen Sicherheit wichtig ist. Dieses Prinzip – genauso wie das der Anzahl der täglichen Werbebotschaften – funktioniert bei Bestands- und Stammkunden aber auch bei der Neukundengewinnung. Denn Lebenssituationen und -einstellungen können sie ändern, und der Verbraucher, der noch nicht Kunde einer bestimmten Marke ist, kann es durch ein bereits entsprechend konditioniertes Unbewusstsein werden.
Was hilft gegen die Beeinflussung der Werbung?
Auch wenn es so gut wie unmöglich ist, der Beeinflussung durch die Werbung zu entrinnen, so gibt es doch Möglichkeiten, dem ewigen und ständigen Konsum zu entkommen. Eine davon ist der althergebrachte Einkaufszettel für den täglichen Einkauf im Supermarkt. Immer wieder wird in Fernsehsendungen und Zeitschriftenartikel darauf hingewiesen, dass man mit einer Liste weniger und vor allem vernünftiger einkauft.
Die andere Möglichkeit ist die, sich mit dem Thema zu beschäftigen und sich vor Augen zu führen, wie die Werbebranche arbeitet, um Menschen zu beeinflussen. Wer weiß, dass ein Rabattschild das eigene Kontrollsystem ausschaltet, fragt sich eher, ob alles im Einkaufswagen wirklich gebraucht wird.