Männer und Frauen reden unterschiedlich über Sex, Liebe und Erotik. Dirty Talk mit der Geliebten, einfühlsam turteln mit dem Ehemann? Sextalk-Klischees sind im Wandel. Nur wer kreativ und erotisch spricht, wird lustvoll zur Tat schreiten.
Früher unterhielten sich Frauen pietätvoll und mit romantischem Vokabular über die Freuden der körperlichen Liebe, während Männer mit protzenden Fäkalbegriffen um sich warfen. Vom Feminismus gewarnt, flüchten sich viele Jungs mittlerweile auch mal pietätvoll ins Abstrakte und lamentieren von „bevorstehenden Finalisierungen“, während Frauen darüber berichten, wie nett man ihnen „das Pony gefüttert“ habe. Dass sie sich gerne mal ohne viel Eigeninitiative bedienen lassen, ohne auch nur mit den Zehen zu wackeln, scheint für sie dabei kein Konfliktthema. Aber obwohl andererseits angeblich 40 Prozent aller Männer unter Erektionsstörungen leiden, hört man auch von guten Freunden nur selten Episoden, die mit den Worten enden: „Zuerst habe ich keinen hochgekriegt, und dann bin ich zu früh gekommen.“
Pflöckeln, knattern, Liebe machen
Stattdessen werden gerne im Sinne des alten Höher-schneller-weiter-Prinzips Statistiken über Kopulationsfrequenz, Schnelligkeit der erneuten Betankung der Schwellkörper und vor allem über Ausdauer und Stehvermögen rezitiert. Männer haben dabei grundsätzlich mehr Begriffe für den sexuellen Ernstfall: Knöpfeln, pflöckeln, bügeln, rattern, knallen, rammeln, pimpern, poppen, ficken, stechen, knattern, reiten, tanzen, hustlen, schlucken lassen, penetrieren, bumsen, koitieren, Liebe machen, sexen, sind nur die simpelsten. Sexualforscher Ernest Bornemann stieß seinerzeit auf mehr als 1500 Wörter für den Geschlechtsverkehr und pralle 1100 alternative Bezeichnungen für die Banalität namens Penis. Das sind erheblich mehr, als für eine gut geschossene Flanke, ein frisch gezapftes Bier oder die Fahrzeuge italienischer Automobilhersteller zur Verfügung stehen.
Gefährliche Sextalk-Themen
Aber obwohl sie beim Thema Sex gelegentlich zu ungeahntem Wortreichtum durchbrechen, fallen viele Männer der Wahnvorstellung zum Opfer, wenn man zu lange über Sex geredet hat, wäre der Übergang zu echten Handgreiflichkeiten unendlich schwierig geworden. Alles Blödsinn. Meistens lag es doch an der affigen Frisur mit den Fusselkotletten. Trotzdem ist ein wenig Resthirn für beide Geschlechter nicht das Schädlichste, wenn man den Hauptgewinn zuhause auswickeln möchte. Glitschige Abenteuer vom Vortag sind ebenso konsequente Akte der Selbstsabotage wie Grundsatzdiskussionen über die Zusammenhänge zwischen Sex und Liebe. Die Wahrheit kommt noch früh genug ans Tageslicht. Wenn man aber schon mal ein wenig aus dem Repertoire der unerfüllten Sehnsüchte ausgepackt hat, weiß der oder die Gegenüber später wenigstens, wo wann wie zugelangt werden muss.
Keine Standarddialoge aus Pornofilmen
Und was für präkoitale Tresendialoge gilt, trifft noch präziser auf die Kommunikation in echten Combat-Situationen zu. Beim eigenen oder potenziellen Spielgefährten sollte man sich sehr genau überlegen, was man sagt: Irrtümer überall. So stimmt es keineswegs, dass Standarddialoge aus drittklassigen Pornofilmen genau das sind, was jede Frau gerne hören möchte, wobei sie ihrerseits die meisten Männer durchaus mit originellen Beschimpfungen erfreuen kann, gerade wenn sie bekleidet eher zu feinsinniger Rhetorik und geradezu hingebungsvollem Gebrauch des Konjunktivs neigt.
„Reden über Sexualität und beim Sex kann viel intimer sein als die Unverhülltheit unserer Körper“, behauptet beispielsweise Buchautor und Psychologe Klaus Heer. Und nicht nur, weil man gerne mal neue Schimpfwörter lernt, lohnt es sich, dem Sextalk Entwicklungschancen zu geben. Die hat er angeblich auch nötig.
Flucht aus der sexuellen Sprachlosigkeit
In vielen Beziehungen herrscht, sobald es um die Kontakte zwischen Schleimhäuten geht, bedrückende Sprachlosigkeit: „Sexualität ist kein Thema. Je mehr sich Störungen, Defizite und Angst stauen, umso geringer ist die Chance, die Kalamität auf den Tisch zu bringen. Erfahrungsgemäß verfügen nur die wenigsten Paare über elementare Fähigkeiten mit ihrer Beziehungsunbill zurechtzukommen. Wenn einer der Partner (meist ist es bekanntlich die Frau) das Unbehagen formuliert, wird diese Klage augenblicklich als Anklage missverstanden“, resümiert Psychologe Heer.
Dabei kann alles so einfach sein. Die wenigsten Wünsche sind so ungeheuerlich, dass man sie nur in Anwesenheit eines guten Anwalts äußern sollte. Und selbst wenn sie einen schon nicht mit der Strumpfhose strangulieren möchte, bedeute das nicht, dass man die Sache mit dem Senf zwischen den Zehen gar nicht erst erwähnen darf.
Humorvoll über Sex reden
Nur wenn man mit Humor über Sex redet, lassen sich bedrückende Peinlichkeiten umschiffen. Humor bedeutet dabei nicht, in erster Linie Witze über den dümmlichen Gesichtsausdruck abgelegter Lover zu reißen, sondern auch mal mit einer Ladung Ironie im Hirn übereinander herzufallen. Es soll ja irgendwie Spaß machen – manchmal jedenfalls. Wenn sie zum Beispiel während des florierenden Koitus kühn „ „Besorg‘s mir“ ruft und er darauf „was denkst du denn, was ich hier die ganze Zeit versuche“ antwortet, kann das eine Replik sein, die keineswegs zum Abbruch aller Kampfhandlungen führt. Und Männer sollten sich die üblichen Märchen über den liebevollen und romantischen Jargon weiblicher Sexdebatten abschminken: von wegen die Länge sei kein Thema gewesen, oder jedenfalls kein ganz so wichtiges.
Kosenamen für Körperteile
Natürlich kann man letztlich lamentieren, wie man will: vorher, nachher, mittendrin. Man kann wüten, Witze reißen, Gedichte rezitieren und zehnmal hintereinander „Drecksau“ brüllen. Und man kann vor allem innovativ sein. Psychologen raten Paaren gerne, doch ihre lustige kleine Privatsprache für ihre Körperteile und die Späßchen, die sich damit anstellen lassen, zu entwickeln. Dabei sollte man nur darauf achten, dass man bei eventuellen Seitensprüngen wieder zum üblichen Sexualesparanto zurückfindet. Missverständnisse können schmerzhaft sein – in selten dokumentierten Fällen sogar tödlich enden.