Mäuse und Menschen geraten durch RAGE und zwei Calcium-bindende Proteine in Rage, dies zeigt eine dermatologische Studie zur Entstehung der Schuppenflechte.
Das größte Organ des Menschen ist die Haut, Erkrankungen des größten Organs können Menschen zur größten Verzweiflung führen: Schuppenflechte sei „ein Fluch“, klagte schon der US-Schriftsteller John Updike in Rage: Seine Empörung in Rage über RAGE ist berechtigt, denn der Receptor of Advanced Glycation Endproducts (RAGE) und die beiden Calcium-bindenden Proteine Psoriasin und Koebnerisin spielen eine immens wichtige Rolle, wenn die Krankheitsschübe der Schuppenflechte ausbrechen, „ausgelöst durch mechanische Reizung, Infektionen oder auch Medikamente“, erklärt Privat-Dozent Dr. Ronald Wolf am 9. Dezember 2010. Dr. Wolf ist Hautarzt und Hauptautor einer internationalen wissenschaftlichen Studie in „Science Translational Medicine“, er arbeitet und forscht an der Klinik für Dermatologie und Allergologie des Klinikums der Universität München.
RAGE und Co. bringen Millionen von Patienten mit Schuppenflechte zur Rage
Die Schuppenflechte gehört in den industrialisierten Ländern bei hellhäutigen Menschen zu den häufigsten Hautkrankheiten, von Psoriasis vulgaris sind vermutlich in Deutschland zwischen 1,6 und 2 Millionen Menschen betroffen, knapp zwei bis drei Prozent unserer Bevölkerung. Bei Menschen mit entsprechender genetischer Veranlagung bilden sich auf der Haut entzündliche, schuppige und juckende Hautbeläge: Bei Schuppenflechte ist in der silbrig schimmernden Haut die natürliche Hautbarriere gestört, in den erkrankten Hautbereichen führt dies zu einer Erhöhung des transepidermalen Wasserverlustes und verändert das Lipidmuster in der Oberhaut – insbesondere bei den Ceramiden in der Epidermis.
Patienten mit Schuppenflechte stellen mehr Koebnerisin und Psoriasin in der Haut her
Dr. Wolf entdeckte nun zusammen mit amerikanischen Hautärzten und Ärzten des Universitätsklinikums Dresden einen der vermutlich entscheidenden Krankheitsmechanismen, der Mechanismus erklärt die genetische Veranlagung der Patienten zur Psoriasis und das so genannte Köbner-Phänomen, wenn mechanische Einflüsse wie Kratzen zum Krankheitsausbruch führen. Die forschenden Dermatologen nahmen die molekularen Signalwege der Psoriasis unter die Pathogenese-Lupe und entdeckten bei Patienten mit Schuppenflechte die beiden Eiweiße Koebnerisin und Psoriasin in erhöhten Konzentrationen: „Die zur Psoriasis-neigende Haut“, so PD Dr. Wolf, „stellt die zwei Proteine in deutlich erhöhten Mengen her“.
Die Calcium-bindenden Proteine Koebnerisin und Psoriasin machen die Haut für Schuppenflechte anfällig
Koebnerisin und Psoriasin gehören als so genannte S100-Proteine zu den Calcium-bindenden Proteinen, diese regulieren Stoffwechselvorgänge und die Kommunikation zwischen verschiedenen Zellen und Geweben, in den Signalwegen zwischen Haut und Immunsystem spielen sie bei der Krankheitsneigung eine wegweisende Rolle, während Entzündungsprozessen in der Haut werden Koebnerisin und Psoriasin auf- und abreguliert. S100-Proteine werden sie genannt, da bestimmte Eiweiße bei einer Erkrankung durch entsprechende Schuppenflechte-Gene verstärkt produziert werden: Das Koebnerisin (S100A15) entdeckte Dr. Wolf, das nahe verwandte Protein Psoriasin (S100A7) wurde zuvor schon in Hautanalysen von Psoriasis-Patienten entdeckt.
Genetisch veränderte Mäuse bekommen Schuppenflechte
Mäuse bilden gegenüber Menschen nicht zwei Proteine, sondern nur als einziges Eiweiß das S100a7a15-Protein, genetisch veränderte Mäuse produzieren dabei schon von Geburt an größere Mengen an S100a7a15-Protein in der Mäusehaut: Dabei zeigen die Mäuse die entsprechenden Symptome der menschlichen Schuppenflechte, sie sind extrem empfänglich gegen Abschürfungen ihrer Haut – einmal gereizt startet wie beim Menschen eine überschießende Entzündungsreaktion. Dabei bindet das S100a7a15-Protein an das RAGE-Molekül auf der Oberfläche verschiedener Immunzellen und Hautzellen, RAGE gehört zur Superfamilie der Immunglobuline und wird nach Genaktivierung dort verstärkt in die Membranoberfläche eingebaut. Deshalb wandern weitere Immunzellen des Haut-Immunsystems (SIS) in die Haut ein: „Die S100-Proteine Psoriasin und Koebnerisin sind unseren Ergebnissen zufolge zusammen mit RAGE wichtige Regulatoren der Krankheitsentstehung“, erläutert Dr. Wolf von der Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU).
Neue Medikamente könnten den Signalweg zwischen Haut und Immunsystem verhindern
Da die Forscher den Signalweg des Entzündungsprozesses nun besser verstehen, können sie gezielt nach Medikamenten suchen, welche die Kopplung von Koebnerisin und Psoriasin an RAGE blockieren – welche den Signalweg zwischen Haut und Immunsystem unterbinden, um „auf diese Weise Psoriasis-Herde zu verhindern beziehungsweise einen bereits bestehenden Krankheitsschub zu behandeln“, stellt der Dermatologe fest. Millionen von Patienten würden dann durch RAGE und Co. nicht mehr in Rage geraten: „Wir rechnen damit, dass unsere Ergebnisse zu neuen Therapien führen – sowohl gegen die Schuppenflechte selbst als auch gegen die Neigung zur Erkrankung“, sagt Dr. Wolf – ganz ohne Rage.