Männlichkeit, Gefühle und Identitätsprobleme. Ein internationaler wissenschaftlicher Männerkongress untersucht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf den männlichen Umgang mit Gefühlen.
Der Suizid Robert Enkes im vergangenen Jahr hat nicht nur der sportinteressierten Öffentlichkeit den problematischen Umgang vieler Männer mit ihren Gefühlen deutlich gemacht. Die Selbstmordrate von Männern liegt dreimal höher als die der Frauen, ihre Lebenserwartung ist sechs Jahre geringer.
Frauen klagen – Männer sterben
Unter Pychoanalytikern und Psychosomatikern ist dies ein häufig gebrauchtes bitteres Resumee. Frauen haben eine deutlich stärker ausgeprägte Bereitschaft, frühzeitig Hilfe zu suchen. Nach Einschätzung der Veranstalter des Düsseldorfer Männerkongresses im Februar unterliege das Bild des Mannes einer zunehmenden Fragmentierung bis hin zu einer Entwertung positiver männlicher Eigenschaften. Dies führe zu tief greifenden und häufig leidvollen Identitäts- und Orientierungskrisen vieler Männer und Jungen.
Der verlassene Mann
An Hand der Forschungsergebnisse der großen Bremer Scheidungsväterstudie erläutert Prof. Gerhard Amendt die inneren Konflikte von Männern mit hohem Risiko für verschiedene Gesundheitsproblematiken. Prof. Martin Dinges geht auf historische Männlichkeitsbilder ein sowie auf die Wandlungen des Anforderungsprofils an Männer, seit Frauen Qualifikation und Berufstätigkeit in das soziale Leben einbringen. Über eine Langzeitstudie zur Bedeutung des Vaters für die kindliche Entwicklung berichtet Prof. Matthias Franz: Kriegskinder, zwischen 1935 und 1945 geboren, die ihren Vater im 2. Weltkrieg verloren hatten, wurden auf Folgen der kriegsbedingten Vaterlosigkeit untersucht. Die Bedeutung der Sexualität in der Partnerschaft nimmt für Männer mit dem Alter zu – humanethologische Aspekte der Männlichkeit stellt Prof. Karl Grammer dar. Weitere Beiträge von Dr. Mathias Hirsch (Traumatische Aspekte der männlichen Sozialisation) und Prof. Walter Hollstein (Der entwertete Mann) runden das Programm ab.
Gespannt darf man auch sein auf den Vortrag von Klaus Hurrelmann (Bielefeld) über Leistungs- und Kompetenzdefizite von jungen Männern, verbunden mit der Forderung nach einer stärkeren Jungenförderung. Nach offiziellen Daten des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft fallen gravierende Unterschiede zwischen den Leistungsbilanzen der beiden Geschlechter in der Sekundarstufe I auf. Junge Männer sammeln sich immer mehr in Haupt-, Sonder- und Förderschulen, wo sie bis zu 70 Prozent der Schülerschaft stellen. Entsprechend sinkt ihr Anteil in Realschulen und Gymnasien. 20 Prozent der männlichen Schüler mit Migrationshintergrund und 10 Prozent der männlichen Schüler aus einheimischen Familien schaffen den Hauptschulabschluss nicht.
Hurrelmann zeigt auf, dass männliche Jugendliche in ihrem Freizeitverhalten deutlich trägere und weniger anregende Verhaltensformen praktizieren als Mädchen. Die Jungen trainierten ihren Seh- und Hörsinn sehr stark durch elektronische Medien, vernachlässigten andere Sinnesbereiche dabei aber extrem. Die moderne Hirnforschung habe diese Feststellungen unterstrichen. Wenn nur wenige Sinnesbereiche angeregt würden, komme es nicht zur notwendigen Verschaltung von Sinneszentren im Gehirn, wodurch die gesamte persönliche, soziale, emotionale und intellektuelle Entwicklung von Kindern leide.