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Der Partner trinkt – wer hilft den Angehörigen? 

Alkoholismus ist eine anerkannte Krankheit. Für den Kranken ist das gut so, denn er bekommt viele Hilfen. Doch wo bleiben die Angehörigen? Wer hilft ihnen?

Eine anfänglich noch glückliche Beziehung, eine kleine Familie gerät ins Ungleichgewicht, sobald der Alkohol eine immer größere Rolle für einen der Partner spielt. Was zu Beginn noch die Feiern an den Wochenenden sind, zu denen auch mal ein Mehr an Alkohol gehören kann, schleicht sich bei alkoholkranken Menschen langsam aber sicher in den Alltag ein. Der Konsum steigt. Aus einem Glas Bier zum Abendessen wird eine Flasche, dann zwei und mehr. In dieser Phase kommen auch härtere Getränke dazu. Der nicht oder wenig trinkende Partner beginnt, das Trinkverhalten zu kritisieren. Im Gegenzug bagatellisiert der Trinker seinen Konsum. Erste Streits sind unausweichlich. Um diesen auszuweichen, beginnt der Trinker, seinen offiziellen Konsum wieder zurückzuschrauben. Da er aber den Alkohol bereits braucht, und an dieser Stelle wird auch bereits von Alkoholmissbrauch gesprochen, fängt er an, heimlich zu trinken. Für eine gewisse Zeit ist der Familienfrieden scheinbar gerettet. Doch das Misstrauen beim Angehörigen ist gesät.

Heimlichkeiten auf beiden Seiten

Alkoholkranke Menschen, die noch nicht zu ihrer Krankheit stehen, sind überaus erfinderisch im Verheimlichen, Verstecken und Lügen. Damit beginnt für den Angehörigen ein Alltag, der von seelischem und körperlichem Stress bestimmt ist. Der Alkoholkranke ist zwar bestrebt, „normal“ zu erscheinen, aber mit der Zeit gelingt dies immer weniger. Der Angehörige, auch Co-Abhängiger genannt, übernimmt in dieser Zeit immer mehr die Funktion einer Art Aufsichtsperson. Er achtet vor allem darauf, für Außenstehende eine Fassade aufrecht zu erhalten. Und das muss der Co-Abhängige zusätzlich zu seinem normalen Alltag schaffen. Neben der Aufgabe, den Alkoholiker zu beaufsichtigen, Fragen der Außenwelt immer öfter mit Lügen zu beantworten und den Alltag zu meistern, stellt sich eine zusätzliche Aufgabe ein – die Suche nach Alkohol. Immer noch in der Hoffnung, den Alkoholiker doch wieder vom Trinken abbringen zu können, braucht der Co-Abhängige viel Zeit, die vielfältigen Verstecke aufzustöbern und den Alkohol und leere Flaschen zu entsorgen. Die Entsorgung wiederum stellt ein neues Problem dar, denn niemand soll etwas davon mitbekommen.

Der Co-Abhängige wird krank

Obwohl Alkoholismus offiziell als Krankheit anerkannt ist, fällt es den nächsten Angehörigen sehr schwer, sich dem anzuschließen. Der Grund dafür ist schwerwiegend. Die Angehörigen leiden unter der Krankheit in vielen Phasen mehr als der Erkrankte selbst. Aus Liebe wird Traurigkeit, Verletztheit, Wut, oft auch Hass. Soziale Kontakte brechen ab. Ein Familienleben findet nicht mehr statt. Nun stellen sich nun auch beim Co-Abhängigen körperliche Beschwerden ein, die nicht medizinisch zu diagnostizieren sind. Wenn der Alkoholiker beginnt, sich mit seiner Erkrankung auseinander zu setzen und er eine Selbsthilfegruppe aufsucht, verspürt der Angehörige Erleichterung. Eventuell ist dies eine Gruppe, in der auch Angehörige willkommen sind. Doch bald muss der Angehörige feststellen, dass eine Selbsthilfegruppe, so wertvolle Arbeit sie auch leistet, 1. den Alkoholkranken nicht trocken legen und 2. dem Co-Abhängigen seine Probleme nicht abnehmen kann. Im Gegenteil, im Laufe der Zeit erfahren die Hilfesuchenden dort sehr viel über Anlaufstellen, Therapien und Hilfen für Alkoholkranke. Die gleichen Angebote für Co-Abhängige gibt es nicht, da Co-Abhängigkeit keine anerkannte Krankheit ist.

Die Selbsthilfegruppe für Angehörige

Eine erste Hilfe kann es sein, sich eine spezielle Selbsthilfegruppe nur für Angehörige zu suchen. In den gemischten Selbsthilfegruppen sind die Angehörigen meist in der Unterzahl und gehen daher mit ihren Bedürfnissen unbeabsichtigt etwas unter. Eine Selbsthilfegruppe für Angehörige bietet einen geschützten Raum, in dem auch negative Gefühle zum Ausdruck gebracht werden dürfen. Das allein ist schon hilfreich, denn diese Gefühle stören das Gesamtbefinden und machen krank. Dürfen sie ausgesprochen werden, fällt einfach eine Last ab, die von anderen, die die gleichen Erfahrungen machen und gemacht haben, aufgefangen werden. Offen reden zu können, weinen zu dürfen und sich verstanden zu fühlen – all das wurde schon lange vermisst. Ganz wichtig in diesen Gruppen sind die Erfahrungen der anderen Co-Abhängigen. Hier wird vermittelt, wie dem Alkoholkranken seine Verantwortung für sich selbst zurückgegeben wird. Gleichermaßen erlebt der Co-Abhängige sich endlich wieder als Individuum, der sich wieder auf sich selbst besinnt.

Hilfe für Körper und Seele

Der zweite Schritt zur Hilfe kann sein, den Hausarzt aufzusuchen. Offenheit ist auch hier unabdingbar. Da die körperlichen Beschwerden häufig keine körperlichen Ursachen aufweisen, kann der Hausarzt behilflich sein, eine psychosomatische Kur zu beantragen. Gegebenenfalls wird der Arzt auch eine leichte medikamentöse Begleitung einleiten und eventuell eine psychotherapeutische Behandlung vorschlagen. All dies hat vor allem den Sinn, dass der Co-Abhängige sich endlich einmal auf sich und seine eigenen Bedürfnisse konzentrieren kann und darf. Der dritte Schritt besteht darin, soziale Kontakte aufzubauen. Bei den vorher eingeschlafenen Kontakten sollte vorher entscheiden werden, ob mit dem Thema Alkohol nun offen umgegangen werden soll. Traut man sich dies noch nicht zu, darf man diesen Schritt ruhig nach hinten verschieben. Aber neue Kontakte, beispielsweise über Vereine, Sport oder Kurse in der Erwachsenenbildung, können einen ungeahnten Aufschwung geben, Einmal steht dort mal nicht das Thema Alkohol im Vordergrund und zweitens kann der Co-Abhängige sich endlich mal wieder auf eigene Interessen besinnen. Beginnt die Seele zu heilen, heilt langsam auch der Körper.