Angststörungen sind ein weit verbreitetes Phänomen. Neue Wirkstoffe werden erprobt, um die Betroffenen im Kampf gegen ihre Phobien zu unterstützen.
Schätzungen gehen davon aus, dass etwas sieben Prozent der Bevölkerung unter Angststörungen, zu denen auch die Phobien gehören, leiden. Das Wort Phobie, beziehungsweise phobische Störung, findet ihren Ursprung im Griechischen und bedeutet soviel wie Furcht. Die Dunkelziffer ist vermutlich hoch, da viele Menschen den Weg zum Arzt scheuen und lieber versuchen, die angstauslösenden Situationen zu vermeiden. Angst zu haben ist ein natürlicher und gesunder Reflex des Menschen, doch wenn aus einer normalen Angst eine Phobie entsteht, können Betroffene in ihrem Alltag unter Umständen stark eingeschränkt sein.
Die Phobie
Allen Phobien gemeinsam ist eine sehr stark ausgeprägte und unverhältnismäßig große Angst vor bestimmten Situationen oder Objekten. Wird der Betroffene mit der angstauslösenden Situation konfrontiert, führt dies häufig zu einer heftigen körperlichen Reaktion. Der Betroffene ruft in dem Moment unterbewusst Erinnerungen aus seinem Angstgedächtnis auf. Zittern, Herzrasen, Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden, Schwitzen oder Atemnot sind typische Symptome. Phobien sind stets psychischer Natur, organische Ursachen können ausgeschlossen werden. Manchmal reicht der bloße Gedanke an die angstauslösende Situation schon aus, um intensive körperliche Reaktionen herbeiführen. Die empfundene Furcht kann sich sogar bis zur Panikattacke steigern. Mit jeder neuen angstauslösenden Situation dreht sich die Teufelsspirale weiter. Weitere negative Erinnerungsbilder werden abgespeichert und führen zu immer größer werdenden Ängsten. Phobiker sind sich oft dessen bewusst, dass die Angst unverhältnismäßig ist, kommen aber trotzdem gegen die starke Abwehrreaktion des Körpers nicht an.
Unterteilung in drei Arten der Phobie
Wissenschaftler unterteilen phobische Störungen in drei verschiedene Formen.
- Spezifische oder isolierte Phobie: Die Angst ist nur auf eine bestimmte Situation oder ein bestimmtes Objekt gerichtet. Hierzu zählen unterschiedliche Tier-Phobien, Angst vor einem Arztbesuch oder beispielsweise auch Höhenangst.
- Soziale Phobie: Die Angst bezieht sich auf die Mitmenschen. Die Betroffenen fürchten sich davor, von ihrer Umwelt negativ wahrgenommen zu werden und meiden es, im Mittelpunkt zu stehen. Einen Vortrag halten zu müssen kann hierbei beispielsweise eine Panikattacke auslösen.
- Agoraphobie: Die Angst entsteht an Orten, wo der Betroffene sich eingeengt fühlt und Panik bekommt, weil er zur Not nur schlecht aus der Situation flüchten könnte. Menschenmengen, U-Bahn- und Aufzug-Fahrten beispielsweise bedeuten für die Betroffenen stets eine extreme Herausforderung.
Das Stresshormon Cortisol
Das Steroidhormon Cortisol wird in der Zona fasciculata der Nebennierenrinde gebildet. Cortisol und die Vorläufersubstanz Cortison gehören zur Gruppe der Glucocorticoide, da sie fähig sind, den Blutzuckerspiegel zu erhöhen. Eine ihrer Aufgaben besteht denn auch darin, den Körper mit einer ausreichenden Menge an Glukose zu versorgen. Des Weiteren beeinflussen die beiden Hormone auch andere Stoffwechselvorgänge, wie zum Beispiel die Knochenbildung und den Fettgewebs- und Eiweißstoffwechsel. Eine der wichtigsten Funktionen des Cortisols ist die hormonelle Regulierung des Salz- und Wasserhaushaltes in der Niere. Cortisol zeichnet sich durch eine dämpfende Wirkung auf das Immunsystem aus und wird in der Medizin häufig dazu genutzt, Entzündungen zu hemmen. Das Hormon ist für den Menschen und höhere Tiere lebensnotwendig, neben Adrenalin und Noradrenalin wirkt es im Körper als äußerst wichtiges Stresshormon. Sobald ein Individuum in eine Stresssituation gelangt, wird automatisch die Cortisolproduktion des Körpers angeheizt.
Cortisol unterstützt Therapie gegen Spinnen- und Soziale Phobie
Im Jahre 2006 veröffentlichte Prof. Dominique de Quervain von der Abteilung für Psychiatrische Forschung der Universität Zürich eine Studie, die zeigte, dass Cortisol bei zwei Phobie-Arten die Angst deutlich reduzieren kann. Die Effekte von Cortison, welches im Körper zu Cortisol umgewandelt wird, wirkten sich besonders bei der sozialen und der spezifischen Phobie aus. 60 Probanden wurde eine Stunde vor einem frei zu haltenden Vortrag Cortison in Tablettenform verabreicht, einer Kontrollgruppe nur ein Scheinpräparat. Im Gegensatz zu den Personen, die nur Placebos bekommen hatten, verringerte sich bei der Versuchsgruppe die Angst des Vortragenden merklich. Die angstauslösende Situation wurde für alle Beteiligten gut erträglich. Die Spinnenphobiker konfrontierte man über einen längeren Zeitraum immer wieder mit Spinnenbildern. Den Patienten wurde während der Sitzungen immer wieder der Cortisolgehalt im Speichel gemessen, auch die subjektiv empfundene Angst sollte von den Probanden selbst eingeschätzt werden. Auch hier erzielte Cortisol die erwünschte Wirkung, eine signifikante Verminderung der Angst konnte von Sitzung zu Sitzung beobachtet werden.
Cortisol wirkt auch gegen Höhenangst
2011 weitete Prof. Dominique de Quervain seine Forschungen auf einen zusätzlichen Bereich aus. 40 Probanden mit Höhenangst besuchten im Laufe einer Woche insgesamt drei Sitzungen einer Konfrontationstherapie. Die Hälfte der Gruppe erhielt eine Stunde vor der Therapiesitzung Cortisol, die andere nur ein Placebo in Tablettenform. Drei bis fünf Tage nach den Therapiesitzungen wurden die Versuchspersonen jeweils mit einer virtuellen Angstsituation konfrontiert, ein weiteres Mal nach einem Monat. Das Ausmaß der Höhenangst wurde dabei jeweils von den Wissenschaftlern mit Hilfe eines Fragebogens sowie dem elektrischen Leitungswiderstandes der Haut gemessen. Auch bei dieser Studie konnte eindeutig gezeigt werden, dass das Hormon die Angstgefühle der Probanden deutlich reduzierte. Die Forscher vermuten, dass das Stresshormon Cortisol ein Abrufen der negativen Erinnerungen während einer Phobie-Attacke blockiert. Das Angstgedächtnis wird in dem Moment mit weniger schlimmen Bildern überschrieben. Die nächste angstauslösende Situation wird nicht mehr als ganz so schlimm empfunden. Hierbei wird eine positive Spirale in Gang gesetzt.