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ADHS – Krankheit, Ausrede oder Profitgier?

ADHS ist eine immer beliebtere Diagnose. Doch nur Fachärzte können dieses Syndrom tatsächlich erkennen.

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), eine komplexe psychische Störung, ist keine Krankheit, sondern ein Syndrom, dessen Kernsymptomatik gestörte Aufmerksamkeitsleistungen sind. Sie kann Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene betreffen. Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) warnt davor, sich bei der Diagnose auf nicht eigens dafür spezialisierte Ärzte zu verlassen.

Der Psychologe Henri Viquerat rät zu einer differenziellen und aufwendigen Diagnose durch Psychologen, bevor therapeutische Maßnahmen ergriffen werden. Dafür sind die Früherkennungszentren und sozialpädiatrische Einrichtungen, in denen Psychologen, Ärzte und andere Berufsgruppen erfolgreich zusammenarbeiten, die richtigen Anlaufstellen. ADHS wird allerdings von Experten nur dann erkannt, wenn die Symptome bereits länger als sechs Monate bestehen. Der BDP zeigt sich sehr besorgt über die Möglichkeiten eines Selbsttests zum Beispiel via Internet. Die dort angeführten Sammelbegriffe können in keinster Weise zur Erkennung des ADHS-Syndroms herangeführt werden und sind nur irreleitend und verunsichernd.

Hier ein Beispiel: Die Checkliste für die Hyperaktivität bei elternwissen.com stellt u.a. folgende Fragen:

  • „Ist Ihr Kind meistens in Bewegung?“
  • „Ist Ihr Kind laut und unruhig?“
  • „Kann Ihr Kind Hände und Füße kaum stillhalten?“
  • „Hat Ihr Kind meistens Schwierigkeiten, ruhig zu spielen?“
  • „Redet Ihr Kind übermäßig viel?“
  • „Wird Ihr Kind oft als störend empfunden?“
  • „Ist Ihr Kind durch Aufforderungen nur schwer beeinflussbar („Jetzt setz dich mal ruhig hin!“)?“

„Wenn Sie 5 oder mehr der obigen Fragen mit ja beantwortet haben, sollten Sie Ihr Kind einem Arzt vorstellen (…). Die genaue Abklärung können Sie aber getrost Ihrem Kinderarzt überlassen, der mit qualifizierten Testverfahren untersucht, ob das Verhalten Ihres Kindes förder- oder therapiebedürftig ist.“

Vorschnelle Diagnose ADHS

Die Popularität von ADHS und das Missverständnis dieses Syndroms werden immer häufiger von gestressten Eltern, aber auch Kindergärtnerinnen und Pädagogen missbraucht, um aktiven Kindern aus dem Weg gehen zu können. Bei „unbequemen“, weil nicht ewig vor dem Computer- oder Fernsehapparat sitzenden und neugierigen Kindern wird das Wort „hyperaktiv“ sehr schnell aus der Tasche gezaubert. Von Kinderbetreuern, um die Kinder nicht beschäftigen zu müssen und von verschreckten Eltern, die mit bösen Blicken traktiert werden, wenn ihr Kind wieder mal nicht still sitzen kann. Einige Inserate:

  • Equazen.at zur ADHS-Behandlung: „Hat Ihr Kind Schulprobleme? Ist es leicht ablenkbar? Unaufmerksam?“
  • dr.kuehle.de: „Bekommt Ihr Kind oft nichts mit, ist es mit den Augen dauernd woanders, springt von einer Sache zur andern und vergisst darüber Aufträge? Handelt es oft impulsiv und unvorhersehbar? Stört es damit häufig andere? (…) Wenn Sie dies bei Ihrem Kind gehäuft beobachten, muss das nicht Unwille des Kindes sein, sondern es können gut behandelbare Störungen die Ursache sein.“
  • Auszug aus einer Werbung für das Medikament “Brain-effect”: “Es gibt verschiedene ADHS Therapiemöglichkeiten, die jeweils auf die verschiedenen Unterformen von ADHS angewendet werden sollten. So sollten besondere ADHS Therapiemöglichkeiten genutzt werden, um den ersten Subtyp (Hyperaktivität, Unruhe, störendes Verhalten) zu behandeln.“

Profit: Ersetzen Medikamente die anstrengende Erziehung, damit Kinder „funktionieren“?

Der Wiener Satiriker Karl Kraus vermutete schon Anfang des vergangenen Jahrhunderts: „Die Diagnose ist eine der häufigsten Krankheiten.“

Lawrence Diller, Kinderarzt und einer der schärfsten Kritiker des Ritalin-Booms in den USA, spricht von epidemischen Verschreibungspraktiken. In Deutschland sind laut Diagnosen 3-5% (300.000 – 500.000) der Kinder und Jugendlichen von ADHS betroffen, Jungen gegenüber Mädchen zwei- bis viermal häufiger. Rechnerisch sitzen in jeder Schulklasse ein oder zwei Kinder, die unter ADHS leiden. Bei Erwachsenen sind es nur etwa ein Prozent laut heise.de.

Übrigens: Inzwischen vertreten viele Mediziner die Meinung, dass sich die Betroffenen durch das Zappeln selbst therapieren, indem sie ihr träges Nervensystem in Schwung bringen. Durch die ständige Bewegung wird der Kreislauf angekurbelt und in der Folge mehr Dopamin ausgeschüttet.