Im Interview erläutert Prof. Dr. Michael-Otto Lesch*, warum sich die Hypnosetherapie nicht für jeden Alkoholkranken eignet, und warum nicht die Sucht die Basis ist.
In welchen Fällen funktioniert die Hypnosetherapie bei Alkoholkrankheit?
Wenn man die Hypnose für die Motivationsbildung einsetzt, ist sie für alle vier Typen wirksam. Suggestionen, die einen Weg weisen, die der Patient nehmen kann, sind dabei sehr hilfreich. Beginnt man dagegen die Basisstörung zu behandeln, damit der Betroffene den Alkohol nicht mehr benötigt, sind es besonders die Alkoholkranken vom Typ II und III, bei denen diese Therapieform wirksam eingesetzt werden kann.
Welche Voraussetzungen braucht eine gelungene Hypnosetherapie bei Alkoholkrankheit?
Zum einen müssen die äußeren Rahmenbedingungen stimmen: Ruhe, kein Telefon, Zuwendung zum Patienten, eine wertschätzende Haltung. Wenn ich diese Art von Patienten nicht mag, ist es besser, man lässt sich auf diese Therapiearbeit nicht ein. Ein berühmtes Beispiel, wie es nicht funktionieren kann, hat uns Helmut Qualtinger überliefert. Qualtinger war alkoholkrank und suchte deshalb einen Psychiater auf – der sprach zwar mit ihm, hat aber zwischendurch immer wieder telefoniert. Qualtinger ging – eine Therapie hat er nie gemacht, letztlich ist er an seiner Alkoholkrankheit verstorben.
Wie viel Zeit benötigt eine Hypnosetherapie bei Alkoholabhängigkeit?
Das kommt auf den Patienten an. Wenn ein Patient zum ersten Termin alkoholisiert erscheint, ist eine Behandlung über 20 Minuten sinnlos. Zudem sollte der Betroffene das Angebot einer nächsten Sitzung unter besseren Bedingungen wahrnehmen. Ist der Patient in einem wenig beeinträchtigen Zustand, sollte bereits die erste Sitzung rund eine Stunde dauern. In der Behandlung eines Typ-II-Alkoholkranken sieht man oft bereits nach 20 Stunden einen Erfolg. Typ II-Patienten erlauben rasche direkte Suggestionen, das sind Menschen, die wenig Selbstvertrauen besitzen und rasch Stabilität, die Vermittlung von Sicherheit, brauchen. Deshalb verwenden sie in der Therapie mit diesen Patienten Metaphern wie den „starken Baum“, an dem er oder sie sich anlehnen können. Beim Typ III-Patienten dagegen kann eine Hypnosetherapie rund 15 Monate dauern, weil diese Patienten sehr festgefügte Strukturen haben, Gefühle nur wenig zulassen können. Mit diesen Patienten muss man in den ersten Stunden vor allem „Leerhypnosen“ ohne Suggestionen, machen.** Wird zu früh strukturiert und beginnt der Patient wieder mit Kontrollverlust zu trinken, verlässt er die Therapie und ist oft massiv suizidal. Bei diesen Menschen verwenden wir Metaphern wie den Fluss oder das Meer, etwas das in Fließen kommt. Die Suggestionen, die man das setzt, sollten Gefühle der Gegenwart bewusst machen, wie etwa Spüren des Bauches, Spüren des Atems.
Was ist das Ziel einer Hypnosetherapie bei Alkoholkrankheit?
Unser Ziel ist nicht die völlige Abstinenz. Unser Ziel ist typenspezifische Abstinenz oder auch Verbesserung des Trinkverhaltens. Wir wollen dem Betroffenen helfen, Coping-Strategien für die Probleme in seinem Leben zu liefern. Es ist auch ein Erfolg, wenn ein Patient zwar noch Trinkepisoden hat, aber ohne Folgen und ohne Kontrollverlust umgehen kann. Bei manchen Patienten geht es aber auch schlicht und einfach darum, zu überleben. Das sind Typ IV-Alkoholkranke, die auch körperlich bereits meist sehr krank sind. In dieser Gruppe ist die richtige Medikation und eine soziale Strukturierung das Wichtigste.
Wie sind die Erfolgsraten in der Hypnosetherapie bei Alkoholkrankheit?
Beim Typ II-Alkoholkranken liegen wir bei 80 Prozent, beim Typ III sind es leider nur 30 Prozent, weil diese oft nicht den Zugang zu gut ausgebildeten psychotherapeutischen und pharmakologischen Psychiatern haben. Interessant sind die Ergebnisse bei Typ IV-Alkoholkranken: Hier sind, bei einer typenspezifischen Therapie, die vor allem eine soziale Strukturierung und die richtige Anti-Craving-Medizin beinhaltet, nach zwei Jahren 50 Prozent absolut abstinent.
Was kostet eine Hypnosetherapie bei Alkoholkrankheit?
Bei uns an der Klinik ist die Therapie kostenlos. Wir haben allerdings eine Warteliste. Derzeit muss ein Betroffener mit einer Wartezeit von rund zwei Monaten rechnen.
Typologie nach Lesch:
Typ I: Suchtmittel helfen bei Entzugssyndromen (Neuroadaptation)
Typ II: Suchtmittel als Anxiolytikum (soziales Lernen und kognitive Modelle)
Typ III: Suchtmittel als Antidepressivum, Ventilmechanismus (Selbstbehandlungsmodell)
Typ IV: Suchtmittel als Impulskontrollschwäche und/oder Zwangsphänomen bei zerebraler Vorschädigung, Suchtmittel, um soziale Begebenheiten zu ertragen (sozio-kulturelles-organisches Modell)
* Prof. Dr. Otto-Michael Lesch ist Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, er ist als Oberarzt an der klinischen Abteilung für allgemeine Psychiatrie am AKH Wien und Spezialist für die Behandlung der Alkoholkrankheit.
** Leerhypnosen sind Hypnosen, bei denen keine Suggestionen gesetzt werden. Es geht vielmehr darum, dem Patienten ein Gefühl der Entspannung, des Loslassens zu vermitteln.