Wenn Probleme, Druck oder Traumata das Leben eines Menschen bestimmen, entsteht chronischer Stress. Dieser kann sich negativ auf die Gesundheit auswirken.
Durch die vielen Anforderungen des täglichen Lebens entsteht Stress. Bedenklich wird die Lage, wenn es keine Pausen oder Erholung mehr gibt. Wenn die Gedanken sich nur noch um finanzielle Probleme oder eine belastende Situation am Arbeitsplatz oder in den eigenen vier Wänden drehen, entsteht chronischer Stress. Auch traumatische Erfahrungen, selbst wenn sie Jahre zurückliegen, wirken sich dauerhaft belastend aus – genauso wie biochemischer Stress.
Chronischer Stress und Gesundheit: Was passiert im Kopf und im Körper?
Nur allzu oft entwickeln sich Lebensumstände ungünstig. Oder eine verheerende Einzelerfahrung führt zu einem Trauma, das sich noch Jahre später negativ auswirkt. Solch sozialer Stress beeinflusst die emotionale Gesundheit sowie den allgemeinen Gesundheitszustand negativ.
Nun verfügt der menschliche Körper über einen Stressbewältigungsmechanismus. Dieser veranlasst die Ausschüttung der Stresshormone Cortisol und Adrenalin ins Blut. Im Grunde bereitet unser Körper uns dadurch auf Kampf oder Flucht vor. Heutzutage reißen wir uns jedoch zu oft zusammen. Gefühle stauen sich an und es kann passieren, dass genau das Signal ausbleibt, das die Produktion der Hormone wieder hinunterfährt. Und: „Die Stresshormone im Blut verhindern die Aktivierung der höheren Gehirnfunktionen, die Synergien ermöglichen“, erklären Alberto Villoldo und David Perlmutter in ihrem Buch Das erleuchtete Gehirn.
Auch Petra Wenzel unterstreicht in ihrem Buch Schlau gelaunt – neue Erkenntnisse der Gehirnforschung die negativen Wirkungen von Stress ohne Ende: „Das Dauerfeuer der Stresshormone ist bei chronischem Stress schädlich“, schreibt die Ärztin und Präventologin.
In der Tat produziert die Nebennierenrinde bei chronischem Stress unverhältnismäßig viel Cortisol und das über einen längeren Zeitraum. Das führt dazu, dass freie Radikale die Nervenzellen des Hippocampus – der Teil des Gehirns, der für die emotionale Verarbeitung der eingehenden Umweltinformationen zuständig ist – schädigen. Das wiederum wirkt sich ungünstig auf die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen, aus. Das traurige Ergebnis ist, dass der Körper noch mehr freie Radikale freisetzt. Ein Teufelskreis setzt ein.
Neurodegenerative Krankheiten: Welche Auswirkungen hat biochemischer Stress?
Auch eine langanhaltende Belastung durch Umweltgifte bedeutet Stress für den menschlichen Körper. Dieser biochemische Stress entsteht beispielsweise durch den Einsatz von Pestiziden. Auch sie haben eine direkte nachteilige Wirkung auf die Gesundheit der Mitochondrien – immerhin könnten sie sonst keine Schädlinge abtöten.
Im Ergebnis steigt das Risiko für den Mensch, an Parkinson zu erkranken erheblich an – selbst bei gelegentlicher Nutzung. Ist die Funktion der Mitochondrien beeinträchtigt, können sich außerdem neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer, Multiple Sklerose, Autismus und Epilepsie entwickeln.
So berichtet der Neurobiologe Robert Sapolsky in seinem Buch Stress, the Aging Brain, and the Mechanism of Neuron Death, dass der Cortisolspiegel bei 50 Prozent der Alzheimerpatienten erhöht ist.
Auch Amalgamfüllungen stehen im Verdacht, das Nervensystem nachteilig zu beeinflussen, da die giftigen Gase, die von ihnen ausströmen, direkt vom Fett im Gehirn aufgenommen werden. Dazu Villoldo und Perlmutter: „Leider lässt sich eine solche Quecksilbervergiftung sehr schlecht beseitigen.“
Akuter Stress und chronischer Stress: Worin liegt der Unterschied?
Ob nun akuter oder chronischer Stress, „beide beeinträchtigen sowohl die Gesundheit der Mitochondrien in unseren Zellen als auch unser allgemeines Wohlbefinden“, so Villoldo und Perlmutter.
Allerdings ist akuter Stress nur von kurzer, zeitlich überschaubarer Dauer. Typische Situationen, in denen akuter Stress zutage tritt, sind Prüfungen, öffentliche Auftritte sowie Momente, in denen wir uns geistig oder körperlich besonders anstrengen wollen oder müssen. Auch in einer Gefahrensituation schüttet der Körper kurzfristig Stresshormone aus. Sie befähigen uns, Entscheidungen zu treffen. Aus diesen Entscheidungen – selbst, wenn es nicht die richtigen waren – ging die Menschheit immer wieder gestärkt hervor. Aus schwierigen Lebenslagen heraus haben wir uns weiterentwickelt, weil wir Erkenntnisse gewinnen und neue Erfahrungen sammeln konnten.
Stress ohne Ende – Wie umgehen mit chronischem Stress?
Bei chronischem Stress bleibt der Cortisolspiegel über einen längeren Zeitraum erhöht. Der Betroffene verfällt in ein repetitives Verhalten. Analytisches Denken, das die Situation verändern könnte, setzt nicht mehr ein. Seine normalen Bewältigungsmechanismen versagen. Er fühlt keine Lebensfreude, verfällt womöglich in eine Depression.
„Chronischer Stress kann uns in einen gewissen Trott verfallen lassen und die Verdrahtung unserer neuronalen Netze sorgt dafür, dass wir ständig dieselben dysfunktionalen Verhaltensweisen wiederholen und dabei auf andere Ergebnisse hoffen“, sagen Villoldo und Perlmutter.
Um aus diesem Dilemma herauszukommen, reichen ein paar entspannende Urlaubstage nicht mehr aus. Vielmehr raten Villoldo und Perlmutter zu regelmäßiger körperlicher und geistiger Betätigung. Wer darüber hinaus die tägliche Kalorienzufuhr herunterschraubt und alle drei bis vier Wochen einen Fastentag einlegt, kommt besser aus dem Teufelskreis heraus.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, mit neuen Gedanken und Gefühlen, einen positiven Kreislauf in Gang zu setzen. Denn der Mensch verfügt über die Fähigkeit, neue neuronale Netze zu bilden. Zwar teilen Nervenzellen sich nicht, doch „das Gehirn hat ein Reservoir an neuronalen Stammzellen, die sich zu Nervenzellen oder anderen Zellen des Nervensystems ausdifferenzieren können“, schreibt Sharon Begley in ihrem Buch Neue Gedanken, Neues Gehirn. Synapsen, Nervenzellen, sogar ganze Hirnareale verändern sich, je nachdem, wie sie genutzt werden. Dieser Vorgang der Neurogenese ist eine Chance, die Gedankenwelt positiv zu verändern und dem chronischen Stress endlich zu entfliehen.