Hier ist Eile geboten. Ein solcher Anfall kann tödlich enden. Lisa S. (6) aus K. leidet an verschiedenen Nahrungsmittelallergien. Wenn Sie etwas Falsches isst, kann sie an Anaphylaxie sterben.
Wenn Lisa (6) aus Kornwestheim morgens in die Schule geht, sind in ihrem Ranzen nicht nur Schulbücher und ein Pausenbrot. Lisa hat ein ganzes Notfallset bei sich: Antihistamine und Cortison in Form von Saft, ein bronchienweitendes Spray und eine Adrenalinspritze. Denn Lisa ist gegen Milch-, Hühnerei-, Nusseiweiße allergisch. Sie reagiert schon auf Berührung mit diesen Lebensmitteln mit leichten Hautausschlägen und darf sie keinesfalls essen. Denn sonst kann eine schwere, allergische Sofortreaktion ausgelöst werden.
Symptome der Anaphylaxie
Diese von Medizinern Anaphylaxie genannte Reaktion kann von Hautausschlägen über Keuchen, Atemnot, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe und Bewusstlosigkeit bis hin zum Versagen des Herz-Kreislauf-Systems führen. Damit besteht die Gefahr, dass lebenswichtige Organe nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden, was im Ernstfall zum Tod führen kann. Schätzungen zufolge sterben in Deutschland jährlich bis zu 250 Menschen durch eine Anaphylaxie.
Schon die Berührung mit dem Allergen ist gefährlich
Angefangen hat alles recht früh. „Mit Einführung der Beikost merkten wir, dass sie allergisch auf bestimmte Lebensmittel reagiert!“ erzählt Mutter Susanne (35). „Sie reagierte schon auf Lebensmittel mit Hautausschlägen, selbst wenn sie damit nur in Berührung kam.“ Die Familie achtet darauf, sie nicht beispielsweise mit Butterfingern zu berühren, nicht mit dem Käsemesser in die Margarine zu gehen und ihr nichts Falsches zu Essen zu geben. „Ist doch einmal etwas schief gelaufen – weil die Lebensmittelkennzeichnungen nicht immer verlässlich sind – konnten wir uns mit Antihistaminen immer gut behelfen.“ Die Gefahr einer Anaphylaxie war aber immer schon vorhanden.
Ein erster anaphylaktischer Anfall
Schlimm wurde es im Dezember 2007. Lisa hatte versehentlich einen Schluck vom Kakao ihres Vaters getrunken! „Ihren eigenen bereiten wir immer mit Sojamilch zu.“ Die Tassen wurden versehentlich vertauscht. Lisas Reaktion auf diese geringe Menge eines Allergens war heftig.: „Sie bekam sofort Hautausschläge, die sich bald über ihren ganzen Körper zogen und litt unter Bauchschmerzen und Jucken. „Wir gaben ihr sofort Antihistamine und Cortison. Bis wir dann beim nahe gelegenen Arzt waren, bekam sie schon Probleme mit der Atmung!“ Der Kinderarzt reagierte sofort, gab ihr weiteres Cortison und Adrenalin.
Im Notfall: Adrenalin
„Mit den Antihistaminen wird die allergische Reaktion gestoppt und das Cortison mindert die Entzündung.“ weiß Mutter Susanne. „Doch weil sich bei einem anaphylaktischen Anfall auch die Gefäße übermäßig erweitern, braucht Lisa auch Adrenalin. Dann ziehen sich die Gefäße wieder zusammen! Wenn das Adrenalin nicht schnell genug gegeben wird, kann Lisa sterben!“
Ein zweiter anaphylaktischer Anfall
Im Februar 2008 kam es zu einem weiteren Missgeschick: Versehentlich wurden die Milchpackungen vertauscht. Lisa nippte nur an dem Becher und sagte sofort: „Mama, ich habe einen komischen Geschmack im Mund!“ Dieses Mal kam sie sofort ins Krankenhaus. „Leider war man dort nur medizinisch auf allergische Patienten eingerichtet, es gab aber keine passende Diät! Ich habe mehr Zeit damit verbringen müssen, Lisa allergenfreie Lebensmittel zu organisieren, als ich an ihrem Bett sitzen konnte!“
Notfallplan für Lisa
Damals war Lisa 5 Jahre alt und für ihre Zeit im Kindergarten erstellte Susanne einen Notfallplan. „In Deutschland dürfen ErzieherInnen und LehrerInnen keine Medikamente ausgeben!“ erzählt sie. „Damit überlässt der Staat die Verantwortung über vier verschiedene Notfallmedikamente einem kleinen Kind!“ Susanne musste viel Überzeugungsarbeit leisten, um die Gesundheit ihres Kindes sicher zu stellen. „Wir hatten bisher immer das Glück auf kooperative Erzieherinnen und jetzt auch Lehrerinnen zu treffen. Direkt neben Kindergarten und Schule hat eine Ärztin ihre Praxis, die Lisas Probleme kennt.“
Nichtsdestotrotz ist auch die kleine Lisa mit einem Notfallset ausgestattet. „Die Adrenalinspritze kann sie sich selbst geben. Sie sieht aus wie ein Filzstift, mit dem sie sich in den Oberschenkel stechen kann.“ Einige Eltern reagierten erst einmal befremdet. „Das ist verständlich,“ meint Susanne, „wenn man hört, dass ein Kind eigenverantwortlich Medikamente, darunter eine Adrenalinspritze, bei sich trägt, ist man erst einmal skeptisch“ Adrenalin baut sich im Körper zwar sehr schnell wieder ab, spritzt man sich aber versehentlich in einen Finger, kann hier das Gewebe stark beschädigt werden und möglicherweise sogar absterben.
Daten zu Allergien
In Deutschland ist jeder Vierte Allergiker. Ca. 12 Millionen Menschen leiden an allergischem Schnupfen und ca. 4 Prozent an allergischem Asthma bronchiale. Allergien sind stark verbreitet und nehmen immer weiter zu. Gleichzeitig steigen die Intensität der allergischen Reaktionen und damit die Anzahl der Anaphylaxien. Dabei ist es ganz unterschiedlich, was die Betroffenen nicht vertragen. Viele Kinder reagieren neben Nüssen und Eiern auch auf Fischeiweiß hoch allergisch.
Der DAAB
Um die Betroffenen zu unterstützen, hat sich ein Patientenverband gebildet. Der Deutscher Allergie- und Asthmaverband berät Betroffene in Fragen zur Anaphylaxie.
Lisas Allergie beeinträchtigt das ganze Leben der Familie. „Wir achten peinlich genau darauf, was Lisa zu essen bekommt. Wenn wir auswärts essen gehen wollen, nehmen wir Lisas Portion ins Lokal mit und bitten den Küchenchef, ihr das Essen nur warm zu machen.“ Dabei stößt Susanne nicht immer auf Verständnis. „Wenn mehr Menschen über Anaphylaxien bei Kindern Bescheid wüssten, wäre das bestimmt anders!“