Hormone sind Medikamente und keine Lifestyle-Pillen. Es scheint verlockend, Anti Aging-Hormone einzunehmen. Doch Vorsicht: Hormone eignen sich nicht zur Vorbeugung, sie bergen Risiken und der Erfolg ist nicht garantiert.
Hormone bestimmen unser ganzes Leben, ohne, dass wir uns dessen bewusst sind. Als Regler unserer Lebensfunktionen beeinflussen sie Haut, Haare, Fettverteilung und Gewicht. Doch verhelfen Hormone auch zu einem jugendlichen Aussehen? Eine Frage, die in der Öffentlichkeit wie auch in der Fachwelt nach wie vor kontrovers diskutiert wird.
Für viele Amerikaner ist die tägliche Einnahme eines Anti Aging-Hormon-Cocktails eine Selbstverständlichkeit im Kampf gegen das Älterwerden. Die Hormonjünger schlucken oder spritzen sich vermeintliche Jungbrunnen-Hormone wie HGH (Human Growth Hormone), DHEA, Melatonin, Testosteron oder Östrogen. Dabei ist noch nicht ausreichend wissenschaftlich geklärt, ob Hormongaben überhaupt eine sinnvolle Strategie gegen das Älterwerden sind. Mittlerweile ist das Thema auch in Deutschland angekommen. Doch die negativen Schlagzeilen der letzten Jahre in Zusammenhang mit der Hormonersatztherapie bei Frauen und eine generelle Abneigung gegen alles Synthetische haben die Öffentlichkeit vorsichtiger werden lassen. Auch die Ärzteschaft ist uneins. Sind Hormone tatsächlich ein gutes Anti-Aging-Instrument? Eine Bewertung erscheint schwierig, zumal die Akteure entweder euphorische Befürworter oder vehemente Gegner von Anti-Aging-Hormonen sind. Beginnen wir deshalb mit den Fakten.
Hormone: Chemische Botenstoffe mit großer Wirkung
Hormone sind organische Verbindungen, die als interzelluläre Signalstoffe zwischen den Organen, Geweben und einzelnen Zellen dafür sorgen, dass alle biologischen Prozesse im Körper richtig ablaufen. Die winzigen Nachrichtenübermittler regulieren unter anderem den Zuckerstoff- und Fettstoffwechsel, den Menstruationszyklus, das Knochenwachstum, Stressreaktionen und die Sexualentwicklung bei Mann und Frau. Auch unsere Psyche sowie das Haarwachstum und der Hautzustand werden von Hormonen beeinflusst.
Gemessen an ihrer geringen Konzentration und Größe haben Hormone eine gigantische Wirkung auf den Organismus. Schon kleine Störungen im Hormonhaushalt könne stark ins Gewicht fallen. Wer in hormonelle Abläufe eingreift, übernimmt somit eine gewaltige Verantwortung. Deshalb sollten Hormone nicht als Lifestylemedizin mit Forever-young-Effekt oder Gute-Laune-Pillen betrachtet werden. Es verbietet sich auch, die systemisch wirkenden Hormone ohne ärztliche Kontrolle über das Internet zu beziehen. Schon gar nicht aus den USA, wo entsprechende Produkte, zum Beispiel das vermeintliche «Jungbrunnen-Hormon» DHEA, als Nahrungsmittelersatz nicht den rechtlichen Bestimmungen eines Arzneimittels unterliegt. Experten warnen eindringlich vor entsprechenden Selbstversuchen. Die richtigen Ansprechpartner für Hormontherapien sind Endokrinologen sowie spezialisierte Gynäkologen, Anti-Aging-Mediziner und Dermatologen. Sie führen nicht nur eine genaue Hormonspiegelmessung durch, sondern entscheiden nach einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung für oder gegen eine Therapie.
Die Hypothese der endokrinen Alterung
Mit zunehmendem Alter sinkt der Hormonspiegel bei Mann und Frau, was ein ganz natürlicher Vorgang ist. In Gegensatz zur Menopause der Frauen setzen die endokrinologischen Veränderungen beim Mann allerdings nicht innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums ein, sondern entwickeln sich kontinuierlich über Jahrzehnte. Die Hypothese der endokrinen Alterung beruht auf der Annahme, dass wir unter anderem deshalb altern, weil bestimmte Hormone nicht mehr ausreichend produziert werden. Ergo kann durch die Gabe bestimmter Hormone die biologische Uhr aufgehalten oder zumindest verlangsamt werden. Das glauben zumindest die Anhänger der Hormontherapie. Heißt das nun, dass Hormone die Lösung sind, um dem Älterwerden gelassen entgegenzusehen? Hormonbefürworter sind dieser Auffassung. Skeptiker warnen ihrerseits vor Krebsrisiken. Eine andere Gruppe vertritt die Meinung, dass eine Hormonsubstitution unter bestimmten Gesichtspunkten sinnvoll sein kann.
Hormone, die unter die Haut gehen
Die Haut verfügt über Rezeptoren für weibliche und männliche Sexualhormone und reagiert empfindlich auf deren Wirkung. Von Östrogenen ist heute bekannt, dass sie die Kollagensynthese und die Zellneubildung anregen und den Kollagenabbau verlangsamen können. Kollagene Fasern sind sowohl für die Druckelastizität als auch für das Feuchtigkeitsbindevermögen der Haut verantwortlich. Somit helfen Östrogene dabei, den Turgor der Haut zu erhalten. Darüberhinaus beeinflussen Östrogene die Hautdurchblutung. Doch Östrogene stimulieren auch die Bildung von Pigmenten in der Epidermis, was wiederum zu einer vorübergehend verstärkten Färbung der Haut führen kann. Während der Schwangerschaft oder nach der Einnahme der Pille führen hormonelle Einflüsse nicht selten zu Hyperpigmentierungen. Die Wirkung von Progesteron auf die Haut ist noch nicht genau geklärt. Es wird allerdings vermutet, dass dieses zu den Gestagenen gehörende weibliche Geschlechtshormon als dominierendes Hormon in der prämenstruellen Phase für das Auftreten von Hauterscheinungen bzw. Verschlechterungen des Hautbildes verantwortlich gemacht werden kann.
Durch eine vermehrte Ausschüttung an Testosteron wird das Hautbild in der Pubertät negativ beeinflusst. Das zu den männlichen Geschlechtshormonen (Androgenen) gehörende Testosteron bewirkt eine Talgüberproduktion, wodurch es zu verstopften Talggdrüsen und somit Mitessern bis hin zu Akne kommen kann. Mit östrogenbetonten Anti-Baby-Pillen kann eine Verbesserung des Hautbildes bewirkt werden. Ein zu hoher Testosteronspiegel hat bei Frauen jedoch auch positive Nebenwirkungen. Es heißt, dass das männliche Hormon Cellulite verbessern kann.
Expertenmeinung zum Thema Anti-Aging-Hormone
Prof. Dr. Christoph M. Bamberger gehört zu den besten Hormonexperten und Anti-Aging-Ärzten Deutschlands. Er ist der erste und bisher einzige deutsche Professor für Endokrinologie und Stoffwechsel des Alterns. In seinem Buch „Besser leben – länger leben“ beurteilt er die fünf Anti- Aging-Hormone Testosteron, Östrogene, DHEA, Melatonin und das Wachstumshormon. Der Experte, der sich selbst als einen „kritischen Befürworter von Hormontherapien in der zweiten Lebenshälfte“ bezeichnet, erklärt, dass die genannten Hormone einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität (Aussehen, Stimmung, Sexualität) haben. Er sagt aber auch, dass es für eine wesentliche Beeinflussung der Lebenserwartung bislang keine Anhaltspunkte gibt. Außerdem warnt er, dass Hormone das Risiko für altersbedingte Erkrankungen leicht erhöhen, wenn sie falsch eingesetzt werden. Des Professors Bilanz lautet deshalb: Ein unkritischer und unprofessioneller Einsatz von Hormonen ist ein falscher und riskanter Weg.